Auf der Suche nach alten Liedern
Saltatio Mortis (Mittelalter)

Nachdem die süddeutsche Mittelalter Combo im letzten Jahr mit "das zweite Gesicht" noch die Elektronik zu Hilfe nahm, gibt es auf dem aktuellen Werk "Heptessenz" den urreinsten Klang einer vergangenenen Zeit zu hören. Zu traditioneller Musik gehört auch traditionelles Liedgut und so stöberte die siebenköpfige Band in alten Unterlagen und brachte einige Überraschungen zum Vorschein. Denn die meisten Songs sind zuvor nie auf einem Silberling oder schwarzem Vinyl erschienen. Der Band gelingt es, die historische Musik so auf CD zu bannen, dass sie auch dem von anderen modernen Produktionen verwöhntem Ohr gefällt. Druckvoll laut oder mystisch verrucht, der Band gelingt es Stimmungen zu erzeugen. "Die Fackel" stand beim folgenden Interview Rede und Antwort. www.saltatio-mortis.com (andreas)


(Foto: Conny Schmidt)

Im Gegensatz zum Vorgänger habt ihr diesmal auf die Elektronik verzichtet. Warum habt ihr euch dafür entschieden, es wäre doch sicherlich einfacher und kommerziell risikoloser da weiter zu machen, wo "Das Zweite Gesicht" aufhört?
Nun, auf unserer neuen CD "Heptessenz" befinden sich außer dem Gesang in der Tat ausschließlich akustische Instrumente. Uns macht es nach wie vor unheimlich viel Spaß, diese Art von Musik zu machen, mit der wir auch dieses Jahr wieder auf vielen Mittelaltermärkten zu sehen und zu hören sein werden. Ich denke, dass dieses Album dank seiner modernen Produktion mit jeder anderen CD auf den Tanzflächen mithalten kann. Wir haben viel Wert darauf gelegt, die alten Stücke für das heutige Publikum zugänglich und tanzbar zu machen. Der kommerzielle Erfolg war für uns bei der "Heptessenz" zweitrangig.

Gibt es Befürchtungen, dass die Fans von "Das Zweite Gesicht" mit dem aktuellen Album Probleme haben könnten oder sind euch derartige Überlegungen fremd?
Wir denken, dass die "Heptessenz" sehr wohl an "Das Zweite Gesicht" anschließt. Uns wird ein unvergleichlicher Klang zugeschrieben, der sich durch unsere CDs zieht wie ein roter Faden. Wir trennen sehr deutlich unser "Zweites Gesicht" von unseren rein mittelalterlichen Alben. Beides gehört zu Saltatio Mortis und sind lediglich zwei Seiten derselben Medaille.

Neben bekannten altertümlichen Songs, gibt es auch eine ganze Reihe, die sich zum erstenmal auf einem Tonträger finden. Wie gelangt ihr an diese alten Liedschriften?
Man muss schon lange suchen, um an solches Liedgut zu kommen. Viele der Stücke gehen uns schon eine ganze Weile im Kopf herum und warteten nur darauf veröffentlicht zu werden. Die Art und Weise wie wir an Stücke kommen ist in vielen Fällen recht unterschiedlich. Dies kann von der Arbeit in musikwissenschaftlichen Bibliotheken bis hin zu Noten-Fragmenten in historischen Originalen reichen. Viele der neuen Stücke auf der "Heptessenz" sind gewiss noch von keiner anderen Band bearbeitet oder veröffentlicht worden.

Ihr müsst bei der Suche ja massig alte Lieder gefunden haben, wonach entscheidet ihr, welche Songs auf einer CD erscheinen?
In erster Linie müssen wir beim Spielen einer Melodie etwas empfinden. Dann brauchen wir Ideen, wie wir die Stücke klingen lassen wollen. So kam dann doch eine Menge guter Stücke zusammen. Schließlich mussten wir uns entscheiden, welche wir letztendlich auf das Album bringen. Die Entscheidung fiel nicht leicht, da wir noch so manches Lied übrig hatten, das ebenso gut seinen Platz auf der "Heptessenz" hätte finden können. Aber die nächste Mittelalter-Scheibe kommt bestimmt!

Die Interpretationen der Songs sind sehr unterschiedlich(z.B. der Merseburger Zauberspruch). Wie wichtig ist für euch der jeweilige Sinn, oder ist der Klang und die Melodie der Stücke wichtiger?
Natürlich bedeutet es uns etwas, was ein Stück beinhaltet. Deshalb haben wir den "Merseburger Zauberspruch" auch so mystisch klingen lassen. Es wäre für uns unpassend gewesen, aus dieser Melodie ein Tanzlied zu machen. Das Vorbild der Glasorgel, die wir extra für dieses Lied aufgebaut haben, stammt übrigens aus dem späten Mittelalter. Wir versuchen eben, den Klang und die Stimmung eines Liedes mit dessen Aussage unter einen Hut zu bringen. Ein weiteres Beispiel ist das allseits bekannte "Palästinalied". Uns war es wichtig, zu zeigen, dass es in diesem Lied um einen bitteren Krieg geht. Der Text aus der Carmina Burana, der für dieses ursprünglich von Walther v. d. Vogelweide komponierte Lied später nieder geschrieben wurde, macht deutlich, dass der kleine Soldat in sein Verderben geschickt wird, während die Verantwortlichen es sich zu hause gut gehen lassen.

Was ist neben der Musik für euch das faszinierendste am Mittelalter und warum boomt momentan diese Musikrichtung?
Was uns am Mittelalter außer der Musik am meisten fasziniert, ist die Technik, die uns heutzutage recht primitiv erscheint, und doch damals schon gezeigt hat, dass der Mensch ein Genie ist. Die mittelalterliche Musik mag deshalb in der heutigen Zeit so beliebt sein, weil sie dem Hörer eine Flucht aus der Gegenwart ermöglicht, in der er sich nicht wohlfühlt. All der Stress, dem wir heutzutage ausgesetzt sind, scheint im Mittelalter noch nicht existiert zu haben. Deshalb sehnt man sich vermehrt in diese Zeit zurück.

Was steckt hinter dem Titel "Heptessenz"?
Die "Quintessenz" ist der lange vergeblich von den Alchimisten gesuchte Stein der Weisen. Da wir aber sieben Spielleute sind ist unsere Essenz eben nicht nur fünffach, sondern siebenfach. Wir zeigen auf dieser CD all unsere Erfahrungen, die wir in den über drei Jahren unserer Zusammenarbeit gemacht haben.

Ihr habt ein reichhaltiges Instrumentarium. Wie gelangt ihr an diese Instrumente. Sind es alte Originale oder Nachbauten?
Es sind zum größten Teil von uns selbstgebaute Repliken alter Abbildungen. Unsere Dudelsäcke sind Nachbauten der mittelalterlichen deutschen Sackpfeifen. Diese waren schon damals reichlich verziert und mit Tierköpfen versehen. Wir haben auch reichlich Kontakte zu anderen Instrumentenbauern, mit denen wir schon so manche Sonderanfertigung entwickelt haben.

Zentrales Instrument ist der Dudelsack, wie schwer ist eigentlich die Handhabung dieses Gerätes?
Man benötigt einiges an Kraft und Kondition, um längere Zeit auf solch einem Instrument spielen zu können. Auch die Spieltechnik ist nicht ohne weiteres zu beherrschen. Regelmäßiges Üben ist bei einem Dudelsack unabdingbar!


(Foto: Andreas Frücht / Neue Westfälische)

Der größte Teil der CD ist instrumental, waren die alten Noten nicht mit Text bestückt? Gab es Überlegungen diese Musik mit einem eigenen Text zu versehen?
Wir haben viele Stücke genommen, die ohne Text niedergeschrieben waren. Das lies uns mehr Freiraum, um mit den Instrumenten zu experimentieren. Über eigene Texte für mittelalterliche Melodien haben wir bei der "Heptessenz", um ehrlich zu sein, nicht nachgedacht. Wir sind nicht aber nicht der Meinung, dass den Liedern dadurch etwas fehlt. Oftmals kann man mit Musik mehr ausdrücken, als mit Worten.

Ihr seid beim Metal Label Napalm Records, lässt man euch freie Hand für die Produktion und der Gestaltung des Covers?
Ja. Wir machen alles von der Musik bis hin zur Covergestaltung selbst. Letztendlich gibt das Label seine Zustimmung. Bisher hatten wir da auch noch keine Unstimmigkeiten. Übrigens sei vermerkt, dass Napalm nur bei unserem "Zweiten Gesicht" das Sagen hat. Unsere Marktmusik Alben haben wir voll und ganz selbst in der Hand.

Wie werden die zukünftigen Konzerte aussehen, verzichtet ihr auch da auf elektronische Hilfsmittel und spielt unplugged?
Wir werden in Zukunft weiterhin sowohl Konzerte mit unserer Marktmusik geben, welche ohne Technik funktionieren, als auch unser "Zweites Gesicht" mit den zusätzlichen elektronischen Instrumenten spielen.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Zur Zeit sind wir am Komponieren neuer Lieder für unsere nächste CD, die voraussichtlich Anfang 2004 rauskommen wird. Diese wird neben unseren üblichen Sackpfeifen und Schalmeien auch wieder mit modernen Instrumenten wie E-Gitarre, Synthesizer und Schlagzeug versehen sein. Es wird sozusagen die Fortsetzung vom "Zweiten Gesicht" werden. Des weiteren werden wir, wie schon erwähnt, auf vielen Mittelaltermärkten, aber auch auf großen Festivals wie dem "Wave Gotik Treffen" und dem "Feuertanz"-Festival spielen. Ich hoffe, man sieht sich da!
Die allerherzlichsten Grüße von Saltatio Mortis an euch alle!
Eure Fackel


Diskographie
2001:Tavernakel (Re-release 2003)
2002:Das zweite Gesicht
2003:Heptessenz