Wortspiele
In_valid (Dark Wave)

Die Kölner Band wurde vor fünf Jahren von "alten" Musikern gegründet. Zu Beginn firmierte man noch unter dem Namen Dorn. Ihr aktuelles Werk "vertikaos" ist eine wohl nie gehörte Mischung aus Cure, Joy Division und EA 80. Stark von den 80ern inspirierter Dark Wave mit sehr tiefgründigen Texten und einem Gesang, der die Texte mit einer inbrünstigen LEIDENschaft interpretiert. Dazu die monotone, fast morbide Atmosphäre. Düstere Musik zu depressiven Geschichten (real und nicht düster kitschig), eine geniale Symphonie der Agonie. Höhepunkt einer glänzenden CD ist "stell dich Tod", ich bin jedes Mal aufs neue fasziniert von der alptraumhaften Wahrheit des Songs. Text und Musik ergeben sich in einer bedrückenden Eleganz. Wer "closer" von Joy Division liebt, wer "pornography" und "Faith" von Cure in seiner Sammlung hat, der wird in_valid als lange vermissten alten Freund in seine Arme schließen. Vor 15 Jahren wäre diese CD von jeder Düster Gazette gefeiert worden und jedes Label hätte sich die Hand danach geleckt. Leider ist das heute anders, eine Scheiß-Welt und diese Jungs liefern den perfekten Soundtrack. So, nun schön das Interview lesen und dann das Album unter in_valid@arcor.de anfordern. (andreas)


Review lesen



Nicht alle unsere Leser werden euch kennen, stellt euch doch bitte kurz oder lang vor?
Marten (Jahrgang '65): Gitarrist und der arme Wurm, an dem das Programmieren immer hängen bleibt. Vor "in_valid" habe ich neben diversen Experimentalprojekten bei SECOND FACE gespielt. Dies liegt allerdings schon über 10 Jahre zurück. Mit Jörg ist das Ganze Anfang der 90er in's Rollen gekommen. Bis zur jetzigen Besetzung war es ein langer, steiniger Weg, der sich aber unbedingt gelohnt hat!
Jörg (Jahrgang '64): Sänger und Texter. In meiner Krefelder Zeit habe ich neben einigen Projekten bei den Bands JUST A CURTAIN und VITA REDUCTA gesungen. In Köln hatte ich das Glück erst Marten kennen zu lernen und später Frank. Was Besseres konnte mir nicht passieren!!
Frank (Jahrgang '70): Bass. Vorher spielte ich einige Jahre bei AM TAG UNTER NULL Gitarre, da wurde sogar mal 'ne "richtige" CD veröffentlicht, die allerdings kein Mensch gekauft hat, und Drums in verschiedenen Punkbands. 1997 traf ich dann die Jungs und es ging wieder richtig los.

Die Band entstand in ihrer jetzigen Besetzung 1998. Bisher wurden 4 Cds in Eigenregie veröffentlicht. Wir versuchen uns mit der Musik einen Freiraum in unserem Leben zu schaffen, in dem wir wir sind. Unsere Band basiert auf Freundschaft und Faszination für Musik. Zweimal die Woche sperren wir uns im Keller ein, um uns zu befreien. Wir machen unsere Musik in erster Linie für uns, wenn sie aber jemand anderem gefällt und ihn bewegt, um so besser...
Mehr können wir nicht über uns sagen. Three imaginary boys, Dr. Avalanche und 'n paar Kölsch...

Kleine Reise zurück. Erklärt doch bitte warum es zur Namensänderung Dorn zu In_valid kam?
Es gab da dieses andere Black-Metal (oder was das ist)-Projekt (Anm. Eller: Dark/Black Metal bitte), das leider etwas früher an die große Öffentlichkeit trat als wir. Um Verwechslungen vorzubeugen und da uns ein Auftrags-Killer zu teuer war, änderten wir eben unseren Namen... ;-)

In der Hoffnung, die letzte blöde Frage zu stellen, was hat es mit dem Bandnamen auf sich?
Es war eine lange Lebern-zerstörende Suche...Dann allerdings sah Marten den Film GATTACCA (als letzter von uns) und hatte dann (als erster) die Idee in_valid zum Bandnamen zu machen. Im Film sind die Invalids die, die natürlich geboren wurden und nicht zum genetisch aufgewerteten Standard der Gesellschaft passen. Die Außenseiter. Und da das auch ganz gut zu uns und unserer Musik passt, und außerdem ein gutes Logo abgab, haben wir uns dafür entschieden. (billiger als Lebertransplantationen...vielleicht sollte man auch noch erwähnen, daß Marten auch die Idee zu dem Namen DORN hatte, und zwar als er vom Klo kam ... was das wohl heißen mag...?)

Kommen wir zum aktuellen Album. Als erstes dürft ihr euch erklären, warum die Aufnahmequalität nicht die Beste ist?
Das Album wurde im Ping-Pong Verfahren mit 2 MD-Playern aufgenommen. Das ist im Moment die für uns beste und günstigste Methode. Einerseits lässt zugegebenermaßen die Qualität zu wünschen übrig, Mixing ist nicht möglich, andererseits ist man gezwungen seine Takes an einem Stück durchzuspielen. Fehler können nicht mehr vertuscht werden. Es spiegelt also unsere musikalischen Fähigkeiten 1:1 wieder. What you hear is what you get. Auch auf der Bühne absolut reproduzierbar.
Außerdem haben wir alle schon schlechte Erfahrungen mit Studio-Arbeit gemacht. Inkompetente Pop-Leute, die alles in Grund und Boden mixen und man nachher glattgebügelte, kaum wiederzuerkennende Songs bekommt. Und das für teuer Geld!
Unser Verständnis von Independent bezieht sich auch auf den Aufnahmeprozess (kommt wohl noch aus den 80ern...). Für die Zukunft werden wir uns aber in Richtung Hard-Disc-Recording orientieren und schön unsere Sachen so machen wie wir wollen, aber in fetter Qualität (hoffen wir zumindestens...)

Welche Verbindung gibt es zwischen dem Titel "vertikaos" und einem Fingerabdruck?
Der Fingerabdruck bezieht sich eher auf den Bandnamen und das damit verbundene Konzept. Im Film entscheidet sich durch eine Blutabnahme an der Fingerkuppe, wer valid oder invalid ist. Ruhig mal anschauen, guter Film...
Was "vertikaos" bedeutet, sei jedem selbst überlassen, die Enstehung bleibt unser Geheimnis...

Obwohl die Texte immer begeistern, möchte ich doch explizit auf "stell dich Tot" zu sprechen kommen. Wann und wie hast du diesen Text geschrieben und welche Aussage steckt dahinter?
Jörg: Wann ich ihn geschrieben habe...weiß nicht genau. Die Texte zum letzten Album sind alle aus Zeitmangel (neuer Job) mehr oder weniger spontan beim Komponieren der Songs entstanden. In diesem Text geht es darum, dass mich die unpolitische Einstellung der heutigen Zeit, im Gegensatz zu den 80ern, nur noch ankotzt. Konsum und Spaß als Lebenszweck. Amerika - du hast es geschafft, du hast Deutschland geschluckt! Und wir rutschen voller Vergnügen deinen Schlund hinunter, wo das endet, und was dabei rauskommt, wissen wir ja...

"Stück vom Glück" macht mich neugierig. Weil ich hier zwei Interpretationen rein bringen könnte. 1. Die Ausbeutung der Tiere durch den Menschen 2. Die Unterdrückung der dritten Welt durch die Erste?
Jörg: Beides. Denn wir nutzen die Menschen der dritten Welt wie Tiere aus. Und das Ganze so schön bequem und anonym, lediglich durch einige unschöne Bilder beim Frühstücksfernsehen gestört.
Frank: Ich finde, dass man diesen Text auch wunderbar auf eine Beziehungskiste münzen kann, in der einer den anderen ausnutzt (Oder besser eine, you know who you are...). Aber das ist ja das Schöne an den Texten, es gibt genügend Freiraum für eigene Interpretationen, ohne dass Allgemeinplätze belegt werden. Konkret, aber nicht verschlossen.

"Gib nicht auf", darf man sich so dein morgendliches Rasieren vorstellen?
Jörg: Nee, dazu bin ich morgens gar nicht fähig (Stimmt! - der Rest der Band). Ein Freund von mir, zu gut für diese Welt, war dabei, sich aus übertriebenem Helfer-Syndrom in andere Leben zu verlieren und sein eigenes Ich zu ignorieren. Das hat mich ziemlich belastet und mit dem Text bin ich den Druck losgeworden. Nebenbei hoffe ich auch, ihm geholfen zu haben.

Ich bin der Meinung, dass die deutschen Texte euch gleichzeitig aus der Dark Wave Landschaft herausheben, gleichzeitig die Labelmanager in Abwehrhaltung bringen und Kritiker euch in eine vollkommen falsche Ecke schieben. Ist die Verständlichkeit der Texte im Endeffekt ein Problem?
Wir haben es bisher noch nie als Problem erlebt, im Gegenteil, die Reaktionen sind durchweg positiv. Mit Labelmanagern haben wir allerdings noch nicht gesprochen...;-), wenn es dann mal soweit sein sollte, werden wir uns schon zu wehren wissen.
Jörg: Deutsch ist nun mal meine Muttersprache, nur in ihr kann ich kann ich mich so ausdrücken, wie ich es möchte. Im Englischen würden die Feinheiten der Texte verloren gehen. Und wenn ich mir anhöre, was einige so auf englisch singen, kann einem doch in deutschen Texten nichts mehr peinlich sein.
Frank: Natürlich gibt es genügend Beispiele, wie man es nicht machen sollte und das Problem bei deutschen Texten ist, dass jeder es versteht. Viele Sachen, die eigentlich grauenhaft sind, werden auf Englisch kritiklos hingenommen, aber sobald einer deutsch singt, meint jeder herumkritisieren zu müssen. Ich finde es aber besser, gute deutsche Texte zu haben, als schlechte englische. Und dafür gibt es auch genug Beispiele.

Gibt es die gewissen Momente, in denen du dich zurückziehst und die Texte verfasst? Sind es Erlebnisse, welche du in den Texten verarbeitest?
Jörg: Von Zeit zu Zeit gibt es diese Momente schon, aber meistens passiert es spontan, und ich kann mich nicht dagegen wehren. Es sind halt Erlebnisse, oder Gefühle, die ich direkt verarbeite. Oder ich spiele Gedanken in meinem Kopf bis in die Extreme durch, und versuche das dann in Worte zu fassen. Und bei unserer derzeitigen Gesellschaft wird mir der Stoff schon nicht ausgehen.
Frank: Im Proberaum macht sich das Ganze dann in einem Wust von beschriebenen Zetteln und Blöcken breit, so nach dem Motto: "Wo ist denn der Text zu Lied XY?"

Es gibt 'ne ganze Menge Songs von euch, die mich textlich begeistern. Was glaubst du, wo hast du deine Persönlichkeit am meisten reingebracht und bei welchem Text würdest du dich am meisten wiederfinden?
Jörg: Prinzipiell in allen. Allerdings sind meine Favourites: "Stück vom Glück" (Ich habe schon seit Jahren versucht, einen Text über dieses Thema zu schreiben, ohne mich wie ein Latzhosenträger aus den 80ern anzuhören...;-)) und "Sehnsucht" von unserem ersten Album (Es hat mir über eine schwere Trennung hinweg geholfen).
Frank: Mir gefällt "Hinter deinen Augen" (sehr schönes, dunkles Liebeslied) und "Sehnsucht" (unser Klassiker, können wir mittlerweile beim Spielen gleichzeitig Schach spielen und den Computer neu initialisieren, aber der Text ist super!)
Marten: Ich sehe mich als Instrumentalist und Werkzeug in unserer Band (Gut zu wissen - der Rest der Band). Und von dieser Warte aus betrachtet, fällt es mir schwer, meinen persönlichen Fave auszusuchen. Mir gefällt textlich "Was bleibt" am besten, da ich in diesem Text einen Teil meiner Persönlichkeit wiederfinde. Als Bestandteil der alltäglichen Tretmühle, die mir die Dinge ermöglicht, die ich will, obwohl ich diese Routine eigentlich hasse, drückt dieser Text genau das aus, was ich fühle, wenn ich morgens zu Arbeit fahre.

Ich frage noch einmal ganz dumm. Hat der Titel "Scherben unter mir" eurer zweiten CD etwas mit der Band von Rio Reiser zu tun?
Nein. Es ist lediglich eine Textzeile von unserem ersten Album. Wir haben uns nie mit TONSTEINESCHERBEN identifiziert, es ist schließlich eine Band der 70er, und wir sind Kinder der 80er.
Jörg: Allerdings hat "Macht kaputt, was euch kaputt macht" schon eine gewisse Faszination...

Ihr seit alle über Dreißig und habt die 80er intensiv erlebt, warum habt ihr euch für "Eisbär" (Grauzone) als Cover entschieden?
Frank: Geiler Bass!
Jörg: Gestern wollte man einer sein, heute ist jeder ein Eisbär.
Marten: Die Monotonie.

Auf "Scherben unter mir" hattet ihr mit "Daddy cool" (Boney M.) bereits ein Cover. Ist es leichter ein musikalisch völlig artfremdes Stück zu covern?
Frank: Geiler Bass! ;-)
Jörg: Was SISTERS können (GIMMIE GIMMIE - ABBA), können wir schon lange...;-)
Marten: Es muss gegensätzlich sein. Auch GRAUZONE empfinde ich als gegensätzlich zu unserer Musik, da sie nichts mit 80er Wave zu tun hatten.

Musikalisch (Gitarren) erkenne ich sehr viel Cure, hat diese Band irgendeinen Einfluß auf euch?
Marten: Vielleicht unterbewusst - war aber immer Die-Hard-Joy Division-Fan. Cure-Platten gehören wohl in jede gut sortierte 80er-Plattensammlung. oder...;-)
Jörg: Seventeen Seconds, Faith und Pornography sind schon der Hammer, aber ich war immer ein Bauhaus-Fan.
Frank: Ich habe diese Art Musik eher am Rande mitbekommen, da ich aus einer anderen musikalischen Ecke komme, und außerdem der Band-Benjamin bin, aber die Musik, die ich mache, hat sich schon immer von dem unterschieden, was ich gehört habe. Merkwürdig, aber es kam immer was düsteres bei raus...

Wenn wir schon bei Einflüssen sind, gibt es da noch jemanden, wen ihr als Einfluß bezeichnen würdet?
Marten: Früher: KILLING JOKE, JOY DIVISION und SIOUXSIE AND THE BANSHEES. Heute: FEAR FACTORY, MACHINE HEAD und MINISTRY.
Jörg: In den 80ern war ich begeistert von BAUHAUS, SIGLO XX, SHOCK THERAPY, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN und DAVID BOWIE. Heute stehe ich mehr auf KORN, FIVE POINT O, THE 69 EYES und immer noch DAVID BOWIE. Meine Lieblingsplatte ist aber zur Zeit die neue von KILLING JOKE (Wahnsinns-Drums!).
Frank: Tja, auch wenn wir uns hier um unsere Credibility reden, aber ich war schon immer Metalhead. MOTÖRHEAD, SLAYER, FEAR FACTORY, HYPOCRISY, ENTOMBED, usw...und viel Punk: MISFITS (Götter!), THE DAMNED, SHAM 69 und THE STRANGLERS. Und natürlich TURBONEGRO (Hammer!) In jeder guten Gothic- oder Darkwave-Band sollte der Basser Punk-beeinflusst sein, denn der Rest ist schon sphärisch genug...;-) Als ich damals von Gitarre auf Bass umgestiegen bin, habe ich stundenlang zu "Punks not dead" von THE EXPOITED geübt. Ich liebe es, simple Sachen zu spielen, die kicken. (irgendwann nehmen wir mal 'ne CD auf, auf der man den Bass auch richtig hört...;-))



Wie wichtig ist in der heutigen Zeit das Internet für eine Band, die kein Label hat?
Das Internet hat die ehemals auf schnell kopierten DIN A 5-Heftchen basierende Fanzine Szene mittlerweile komplett abgelöst. Es ist eben eine sehr einfache und kostengünstige Möglichkeit sich zu präsentieren. Gerade für Bands wie uns, die viel Wert auf Selbständigkeit legen, ist es eine gute Möglichkeit, Öffentlichkeit herzustellen, ohne Kompromisse einzugehen.
Natürlich gibt es auch hier Qualitätsunterschiede. Einige Sites scheinen eher schnell zusammengschustert, während die meisten, wie das AMBOSS und andere, auch Wert auf Content und Auftritt legen. Es ist eben immer eine Frage, wieviel demjenigen die Musik wert ist, oder ob es nur um Aufmerksamkeit und Platten abstauben geht. Es ist für uns als Band schon traurig, wenn man auf verschickte Demos höchstens von 20-30% der angeschriebenen Magazine überhaupt Reaktionen bekommt. Für uns ist es also durchaus wichtig! Homepage haben wir im Moment aber keine. Erreichbar für jeden und alles sind wir unter in_valid@arcor.de
Frank: Manchmal vermisse ich aber den Charme der alten Heftchen...Du kennst das ja sicher auch noch.

Wie sieht es mit Live Auftritten aus?
Schwierig. In Köln gibt es für Bands wie uns eigentlich keine Szene mehr. Das Gothic-Treiben in dieser Stadt ist fest in DJ-Hand. Und auch das ist noch wenig.
Zur Zeit versuchen wir andere Bands ähnlicher Stilrichtung zu finden, die Lust haben, gemeinsam mit uns Gigs zu organisieren.

Mit welchen Worten würdet ihr einen Radioreporter davon überzeugen euer Lied zu spielen und wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Um es mit Henry Ford zu halten: "Ein Angebot, das ich nicht geprüft habe, ist ein schlechtes Angebot". Traurig, dass sowas von einem Erz-Kapitalisten kommt... Also, erst mal selber anhören.
Unsere Musik beschreiben...Tja, das ist so 'ne Sache. Momentan beschreiben wir es als Modern-Gothic-Rock (whatever that means...), du bezeichnest es als Darkwave, aber letztlich ist es eben in_valid. Und nichts anderes. Das Original. Da weiß man, was man hat. Guten Abend...;-)
Jörg: Eine gemeine Frage!!!