Hoffnungsvolle Visionen?
Amatris (Gothic Rock/Metal)

Wer dieses Jahr beim M'era Luna oder den Herbstnächten seine Wochenenden verbrachte hat, wird wohl irgendwann einen interessanten Flyer in die Hände bekommen haben. Damit bewarben die fünf Schleswig-Holsteiner ihr in Eigenregie produziertes Debütalbum "Between Visions and Reality". Wenn man bedenkt, dass die Band von Sänger Helge Barth erst 2001 gegründet wurde und erst seit Januar in dieser Besetzung spielt, ist es umso erstaunlicher, mit welcher Qualität die Gehörnervern hier verwöhnt werden. Doomige Härte vermengt sich mit sphärischer Melancholie. Der männlich-weibliche Wechselgesang hat nur auf den ersten Kurzblick etwas mit der Schöne und dem Biest zu tun. Denn Helge hat neben seinen bösen Growls auch ein warm-betörendes Timbre in den Stimmbändern. Neben straighten Saiten und treibenden Drums sorgt die Tasten Fraktion immer wieder für bittersüße Melodielinien, welche sich in spielerischen Tempiwechseln und abwechslungsreichen Songwriting in einem dunklen Gesamtbildnis entkleiden. Ein klasse Debüt. www.amatris.de (andreas)


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Die Band
Eva Trader: Vocals
Helge Barth: Clean und Growl Vocals
Sven Harms: Gitarre/Keyboard
Holger Warschkow: Bass
Thomas Schink: Drums

Stellt euch doch unseren Lesern als erstes kurz (oder lang) vor?
Helge: Die Band besteht aus der Sängerin Eva Treder, dem Gitarristen Uwe Hein, dem Bassisten Holger Warschkow und dem Drummer Thomas Schink. Meine Wenigkeit steuert die männlichen Gesangsparts bei. Unser ehemaliger Gitarrist Sven verließ uns Anfang September aus zeitlichen Gründen. Da wir gerade in der Vorbereitungsphase von Liveauftritten standen, brauchten wir natürlich ziemlich dringend ein neues Mitglied an den 6 Saiten. Als ich meinem langjährigen Bekannten Uwe unsere CD vorspielte, war er sofort begeistert und stieg bei uns ein. Zur Band zählt auch noch unser Licht- und Bühnentechniker Arne Jessen.

Wie ist das Gefühl als recht junge Band erstmals die fertige, eigene CD in den Händen zu halten?
Helge: Gerade wenn man ein derartiges Projekt selbst finanziert hat, ist man natürlich glücklich, das fertige Produkt in den Händen zu halten. Man möchte sich nach den stressigen Studiotagen zurücklehnen und entspannen, besinnt sich dann aber doch recht schnell darauf, mit dem Album an die Öffentlichkeit zu gehen, um die Reaktionen von anderen Menschen zu erfahren.
Holger: Es ist schon ein recht merkwürdiges Gefühl - eine Mischung aus Glück, Selbstkritik (denn wir sind nun mal in gewisser Weise Perfektionisten) und ein wenig Stolz auf das bisher erreichte, welches da zum Vorschein kommt.

Euer Erstling heißt "between Visions and Reality". Wieviel Vision und wie viel Realtät steckt in dem Album und sind diese Gegensätze immer unterscheidbar?
Holger: Ich finde, es ist weder das eine, noch das andere. Wie es der Albumtitel "Between.." schon sagt, sehe ich es eher als eine Art Zwischenwelt, in der das Leben von Amatris erblüht. Ich persönlich bewege mich im Alltag auch ständig in dieser. Am Liebsten halte ich mich zwar in meinen Traumwelten auf und lasse mich dort auch von meinen Visionen verführen, aber ich weiß natürlich, dass ich so allein nicht existieren kann. Andersherum ist die pure Realität nicht zu ertragen. Wenn ich durch die Straßen gehe und in so endlos viele leere Augen blicke, dann bleiben oft nicht viele Alternativen, als dieser Realität den Rücken zuzukehren. Und folglich ist die beste Lösung halt diese Zwischenwelt.
Dennoch gibt es einen direkten Zusammenhang beider Extreme, denn gerade Helge und ich haben es schon oft erlebt, das so manche Vision zur Realität wurde...
Helge: Ich sehe einen direkten Zusammenhang, weil Visionen und Realität in diesem Album zu einer Einheit verschmelzen.

Ihr habt beim M'era Luna eine große Flyer Aktion gestartet. Was hat es gebracht und ist diese, nicht gerade kostenfreie Aktion zu empfehlen?
Helge: Die Flyeraktion war nicht nur auf das M'era Luna - Festival beschränkt. Auch auf dem Herbst-Zeitlos-Festival in Sachsen, dem Herbstnächte-Festival, sowie in unserem Umfeld in Schleswig-Holstein und Hamburg waren diese Flyer zu finden. Von Ende Juli dieses Jahres bis zum heutigen Zeitpunkt haben wir fast 15000 Flyer unter das Volk gebracht und die Reaktionen sprechen für sich. Die Investition von mehreren 100 Euro haben sich gelohnt, denn wir konnten schon reichlich CD's allein nur über unsere Webseite verkaufen. Außerdem kam dadurch der Kontakt zu diversen nationalen und internationalen Musikmagazinen zustande.
Holger: Die Zeiten sind nun mal härter geworden. Wir können alle "ein Lied davon singen", nachdem, was wir in den letzten Monaten in die Musik gesteckt haben. Für uns war die Sache allerdings klar: Wir haben keine Lust, das dieses "neugeborene Erstlingswerk" in der Schublade verstaubt und möchten unsere Musik mit großer Energie dem Publikum zugänglich machen. Erste Rezensionen und Meinungen von Käufern unserer CD belegen, dass wir da so falsch nicht liegen. Des weiteren besteht für uns die Möglichkeit, im kommenden Jahr auf einem Festival in Frankreich spielen zu können.

Wie entstand euer Bandname und welche Aussage versteckt sich dahinter?
Helge: AMATRIS läßt sich nicht übersetzen. Es ist ein eigenständiges Wort, welches wir uns ausgedacht haben.
Es verkörpert für uns die Attribute von Zukunftsvisionen, Endzeitstimmung, Düsternis, sowie Melancholie.

Eure Songs sind durchzogen von Tempiwechseln und wechselnden Stimmen, macht diese Art es nicht unheimlich schwer eine Atmosphäre zu erzeugen?
Holger: Nein, das finde ich nicht. Die einzelnen Parts sind unvorhersehbar und dennoch ergänzen sie sich. Das schafft gerade eine interessante Atmosphäre.
Helge: Ich denke, dass gerade durch diese Vielseitigkeit eine interessante Atmosphäre erzeugt werden kann.

Die Mischung aus cleanem/growligem Männergesang und weiblichen hellen Vocals dürfte für einige gleich zu Assoziation mit "Theatre of tragedy" nahe legen. Warum hinkt eurer Meinung nach der Vergleich?
Holger: Weil unsere Einflüsse viel zu verschieden sind und ich auch nicht finde, das Amatris nach Theatre of Tragedy klingen. Natürlich kann man uns getrost in die gleiche Schublade packen, aber wir sind definitiv ein anderes Kleidungsstück. Es ist uns schon bewusst, das wir den Gothic-Rock / -Metal nicht neu erfunden haben, aber das war auch von Anfang an nicht unser Anliegen. Unser Ziel ist es, dieses Genre eher etwas aufzufrischen und diesen neuen Stern, den wir auf Amatris getauft haben, am Firmament sichtbar zu machen.
Helge: Mit den neueren Scheiben von Theatre Of Tragedy dürften wir uns wohl sowieso nicht vergleichen lassen können. Außerdem sind wir eine Band, die definitiv einen relativ hohen Anteil an cleanen Male - Vocals zu bieten hat.

Bis auf "Death's embrace" bestehen sämtliche Titel aus einem Wort. Wie
wichtig ist der Titel eines Songs für dessen Aussage?
Helge: "Death's Embrace" war der erste Song, den wir schrieben. Erst bei den nachfolgenden Songs ergab es sich, dass die Songtitel lediglich in einem Wort zusammengefasst wurden. Diese Prinzip behielten wir dann weiterhin bei. Wir sind der Meinung, dass man sich bei der Wahl des Songtitels nicht unbedingt dem Zwang unterwerfen sollte, die Aussage des Titels auf den Song zu projizieren. Wir haben uns jedoch dazu entschlossen bei den Songtiteln eine klare Aussage zu treffen.

Gibt es einen Song über die sich eure Band definieren kann?
Holger: Nein, nicht mal die ganze Scheibe könnte dies. Denn es geht weit darüber hinaus. Amatris ist zu einer Art Lebenseinstellung geworden.



Die Lyrik scheint mit Worten zu spielen, gleichwohl trennt man sich nicht vehement gegen kleine, versteckte Klischees der Schwarzromantak. Gibt es Lyrik, die euch beim Schreiben beeinflusst?
Helge: Sicherlich hätte man die einen oder anderen Zeilen noch mehr in Metaphern fassen können, aber ich habe in den Texten das niedergeschrieben, was mich bewegte. Explizit gab es keine Lyrik, von der ich beeinflusst wurde.
Holger: Als ich Helges Texte sah, konnte ich mich sofort damit identifizieren.

Man hat bei eurem Album das Gefühl, dass alles in einem Guß entstand. Jeder einzelne Song dient als Kettenglied eines in sich stark geschlossenen Gesamtwerk. Ist es überhaupt möglich einen Song herauszuheben? Wie ist es gelungen diese Einheit zu vollziehen?
Holger: Es ist schwer, einen einzelnen Song herauszuheben. Ich glaube, dass es am Ende zu diesem geschlossenen Gesamtwerk kam, ist dem Umstand zu verdanken, dass wir einfach in unserer Musik voll und ganz aufgehen und das rüberbringen, was wir fühlen!
Helge: Wir haben uns nie darüber Gedanken gemacht, ein Werk zu kreieren, welches als ganzes zu sehen ist. Es ergab sich mehr oder weniger rein zufällig, dass die Songs sich zu einem Guss zusammenfügten.

Gibt es im Endeffekt ein Konzept, welches über Visionen, Verluste, Lügen zur Hoffnung führt?
Holger: Gute Frage... Es gibt schon ein Konzept, nur ist dieses nicht unmittelbar zu planen gewesen. Auch hier ergab sich eins aufs andere. Am Ende steht die Hoffnung, diese wird nun mal zuletzt zum Bett des Sterbens getragen...
Helge: Erst, als wir die Reihenfolge der Songs auf der CD festlegten, fiel uns auf, dass diese sich zu diesem vermeintlichen Konzept zusammenfügen ließen.

Was sind die Hauptinhalte der Songs?
Helge: Die Songs beinhalten Attribute wie Zerfall, Visionen, die Dekadenz der Menschheit, Fehlbarkeit, welche in jedem steckt... Dinge, die uns in unserem täglichen Leben beschäftigen.

Gibt es Verhandlungen mit Labeln?
Helge: Wir sind gerade dabei, Kontakte zu knüpfen. Es war uns wichtig, eine gewisse Vorarbeit zu leisten und auch live schon präsent zu sein. Aufgrund der positiven Resonanzen hinsichtlich unseres Debüts, hoffen wir, dass sich schon sehr bald die Zusammeanarbeit mit einem Label ergibt.

Wie wichtig ist die Internetpräsenz?
Holger: Enorm wichtig. Das Internet ist zu einem nicht mehr wegzudenkenden Kommunikationsmedium geworden.
Helge: Wir verfolgen natürlich auch die Zugriffstatistiken unserer Webseite und müssen dabei feststellen, dass wir gar Zugriffe aus Ländern wie den USA, Italien, Frankreich, Schweden und Israel haben. Wir haben einen Song komplett und drei angespielte Tracks zum Download freigegeben. Die daraus resultierenden CD - Bestellungen sprechen für sich. Ebenso kam es dadurch schon zu Auftrittsmöglichkeiten.

Wie fühlt man sich als Band, einem Magazin eine CD zur Rezension zukommen zu lassen? Gibt es hier auch versteckte Ängste?
Holger: Ängste gibt es da nicht direkt, denn wir stehen zu unserer Musik. Aber man achtet schon mit Spannung auf das, was da bei den Rezensionen herauskommt. Man selbst hat ja nicht so den objektiven Abstand zu der eigenen Musik.

Wie sehen eure Live Auftritte aus und wann kann man dieses bewundern?
Helge: Wir haben bereits diverse Liveauftritte im Norden des Landes bestritten und kürzlich auch auf dem "Herbst-Zeitlos-Festival" in Sachsen gespielt. Dieses Jahr werden wir noch im Buschclub Schwerin spielen und sind an weiteren Auftrittsmöglichkeiten dran. Wie sie aussehen? Schaut sie Euch an, Ihr werdet diesen Abend nicht bereuen ;-)

Wie würdet ihr einem MTVIVA Moderator eure Musik beschreiben?
Holger: Gar nicht. Es wäre wohl verschwendete Energie in die Leere...