Dunkle Schattenspiele
Dein Schatten
(NDH-Wave)

Hinter "Dein Schatten" verbirgt sich Dieter Bornschläger, der bereits seit über dreißig Jahren musikalisch unterwegs ist. Nach Krautrock, Jazz und NDW besticht sein im Mai erscheinendes Album "ewiges Eis" durch eine Mischung aus melancholischen Wave und druckvolle NDH. Textlich bewegt er sich zwischen dunklen Phantasien und menschlichen Sehnsüchten. Filigrane, explosive Saitenarbeit und ein Faible für harmonische Melodiebögen, welche meist in harmonischen Refrains gipfeln sind bestimmendes Element seiner Musik. Ruhige Passagen enden in brachiale Kompositionen. Tiefdüsterer Sprachgesang und betörende Gesangslinien verleihen den Songs einen dunklen Grundton. Die im April erscheinende Single "woanders sein" hat das Zeug zum Clubhit. Treibende Beats, eingestreute Tempiwechsel und verwegene Vocalpassagen und ein Refrain der sich einem Tinnitus gleich fest in die Gehörgänge einnistet. Neben dem Interview könnte ihr weitere Infos unter www.dein-schatten.de erfahren.

Du wirst bald fünfzig, in einem Alter, in dem jeder an alles andere denkt als eine Musikszene aufzumischen, bringst du unter dem Namen "Dein Schatten" ein Album raus, welches Moderne und Nostalgie verbindet. Wo würdest du deine Musik einordnen? Für wen ist sie gemacht?
Es ist nicht immer einfach meine eigene Musik zu klassifizieren. Witt/Rammstein/Megaherz/Lacrimosa tauchen allerdings in diesem Zusammenhang des öfteren auf. Aber das trifft es ja wohl nur am Rand. Hinter mir liegen ja etliche Jahre NDW, Psychadelic, Jazzrock, Pop. Das lässt sich nicht verheimlichen. Früher hätte man schlicht Rock Musik zu meinen heutigen Songs gesagt. Immer wenn verzerrte Gitarren, Keyboards, Bass, Drums am Werke waren, hiess es knapp: Rock. So differenzierte Abgrenzungen wie heute gab es nicht. Gothicfreunde kommen sicherlich am besten auf ihre Kosten. Aber warum sollten nicht Freunde töfter Gitarren auch aus dem Metal/ Alternativebereich ihren Spaß mit Dein Schatten haben. Selbst der eine oder andere Grönemeyer/Stoppock Fan wird mit DS was anfangen können.

Du veröffentlichst seit über 30 Jahren Musik, wo liegen die größten Unterschiede zu früher?
Heute produzieren heisst oft, den ganzen Kram alleine machen. Schreiben, spielen, aufnehmen, vermarkten.Der Computer hat vieles vereinfacht, aber es ergeht uns ähnlich wie den Kassiererinnen bei Aldi oder sonstwo: Sobald keiner an der Kasse ansteht, müssen die gleich Regale auffüllen, fegen, Kartons zerreissen etc.; die Arbeit, die man heute unterm Strich erledigen muss, ist einfach mehr geworden. Nun gut, einiges erlebe ich heute vielleicht aus einer ganz anderen Perspektive, weil ich z.B. nicht wie damals in Topacts spiele, und für die Vermarktung meiner Person jetzt oft selber sorgen muss.

Die Fans von Guru Guru oder Atlantis sind mitgewachsen, können sie mit deiner heutigen Musik was anfangen?
Es gibt sicherlich Fans von Guru Guru, Atlantis und den anderen Bands in denen ich spielte, die vielleicht explizit meinen Stil und Sound mögen. Die werde ich auch sicher mit DS erreichen. Den durch und durch Krautrockfreak und Kiffer, oder Inga Rumpf/Tina Turner Fan wohl aber eher nicht, doch genaues weiss man nicht. Das wird sich alles noch zeigen.

Als Vater zweier Töchter eine persönliche Frage. Wie hat man sich das Familienleben in einer Musikerfamilie vorzustellen? Triffst du den musikalischen Geschmack deiner Kinder?
Normal und leicht Workaholic mässig. Morgens Kind zum Kindergarten, danach üben , komponieren, aufnehmen, Post verschicken, Kind abholen, Mensa gehen oder Spielplatz, danach üben, komponieren usw. 20 Uhr abends zu hause, Herd an, was exquisites auf die Teller bringen, Glotze, schlafen. Am Wochenende mehr zeit zum Üben, komponieren etc. jeden zweiten Tag Sporthalle, alle paar Wochen mit Familie einen Tag irgendwohin, raus. Meine beiden Töchter finden Dein Schatten wirklich gut. Lisa ist 22 und hört zwar mehr House und diese Richtung, lernt aber merkwürdigerweise andauernd Gitarristen kennen, dann muss ich meine Saiten immer gut verstecken. Anna Lina ist vier Jahre, ist ebenso begeistert von meiner Musik, und will selbstverständlich später bei mir arbeiten. Ehrenwort.

Mit "dein Schatten" befindest du dich zwischen NDW und NDH, die Leute welche diese Musik hören könnten deine Kinder sein. Würdest du gerne mit ihnen tauschen?
Momentan ist es doch so grauenhaft visionslos, was da auf unserem Planeten passiert. Die Aussichten sind doch weltpolitisch gesehen düster bis pechschwarz. Wie sollte ich da mit ihnen tauschen wollen? Ich engagiere mich für Frieden und Freiheit, und gegen diese dumpfe Drauflosbomberei. Was wir brauchen ist wieder eine Vision, wofür es sich zu leben lohnt, aber aufgepasst, die Leutchen, die in den 68ern am lautesten Love and Peace gerufen haben, sind heute doch teilweise am politischem Ruder. Auch die haben uns das, was gerade abgeht eingebrockt. Kohn Bendit, ehemals linker Agitator, mittlerweile Spitzel für die Grünen bei Attac, schwafelt in einem Interview, die Amerikaner müssten doch Bomben werfen, die Terroristen könnten doch sonst denken, sie wären feige und hätten Angst. Da fass ich mir doch am Kopf, ob solch' psychologisch naivem Schwachsinn. Um zu provozieren wollte ich das Projekt Dein Schatten zuerst Milosevic nennen. Aber noch viel gemeiner käme heute Rummsfeld.

Die Siebziger gelten in der Musikszene als Jahrzehnt der Veränderungen. Im Bezug auf Krautrock gab es erstmals die Bezeichnung Underground. Würdest du dich als Mitstreiter sehen, der einer eingeschlafenen Musikszene in Deutschland zu viel Kritikerlob verholfen hat?
Als Erneuerer sehe ich mich nicht, aber auch nicht als Mitläufer. Ich ziehe schlichtweg zeitlebens einfach nur mein Ding durch. Die Songs strömen aus mir heraus, und ich laufe ihnen hinterher. Ich habe das Gefühl, ich bin ja immer noch auf Reise, noch gar nicht angekommen.

In "Schuld und Sünde" vertonst du zu Beginn das "Vater unser". Was bedeutet Glaube für dich? Siehst du die Kirche als reellen Feind der menschlichen Bedürfnisse?
Der Vater meiner Frau ist Theologieprofessor an der Uni in Zomba/Malawi. Der schreibt Bücher ausschliesslich über den Glauben. Auf diesem Planeten gibt es seit tausenden von Jahren Millionen von Menschen, die nichts anderes tun, als die Menschheit von der Existenz des Glaubens zu überzeugen. Die verdienen damit ihr Geld. Das die Kirche aber auch viel wichtige Hilfe auf der ganzen Welt leistet, steht allerdings ausser Frage. Ich selbst brauche keinen Glauben. Tiere, Menschen, Pflanzen respektieren, geht ohne Glauben genauso gut. Wenn der Tod kommt, hat wohl schon mancher fühlen müssen, dass auch der Glaube keinen rechten Trost bringt. In der christlichen westlichen Welt ist der Glaube, im Gegensatz zum Islam z.B., sowieso nicht mehr wirklich ernst zu nehmen. Er ist nur noch eine leere Hülle. Die angenehmen Aspekte, wie Weihnachten/Ostern/Vatertag/ die Kirche als Sehenswürdigkeit/ Basare/neuerdings Flohmärkte/ Schwangerschaftsbeihilfen etc. werden immer fröhlich ausgekostet, nur die anderen Seiten, wie Buße tun, fasten, beten vor dem Essen und vor dem Schlafen, regelmässiger Gottesdienstbesuch, die zehn Gebote usw., daran hält sich heute kaum einer. Diese Gesellschaft ist irgendwie am Ende, frust-fressen-fernsehen.

"woanders sein" wird als Single veröffentlicht. Gab es einen bestimmten Grund diesen Song auszukoppeln? Wer hatte bei den Clubmixen die Hände am Regler?
Der zur zeit beste Clubmix von "woanders sein" kommt von Timo Donati. Mit Spannung erwarten wir ja noch die mixe von Air liquide und Rock it Room. "Woanders sein" ist für mich der Radio tauglichste Song. Bei der grossen Auswahl, hätten wir aber vielleicht ebenso auf ein anderes Pferd setzen können. Die CD "ewiges eis" besteht ja faktisch aus lauter Singles.

Erkläre mal das gerollte R im Text von "Er kommt zurück"? Teilweise erinnert es an "Seemann" von Rammstein?
Ein rollende R als Stilmittel ist zwar eigentlich ein wenig überstrapaziert, doch "er kommt zurück" war der erste Song meiner schwarzen Reihe, und damals fand ich diese Assoziation zu dem Mann mit dem kleinen Oberlippenbärtchen passend. Später kam dann mit einem neuen Intro, noch eine Persiflage auf Rammstein dazu. Das Lied Seemann kenne ich im übrigen ebensowenig, wie die anderen Songs der Band Rammstein. Ussi versuchte mich des Öfteren zum Hören der CDs solcher Bands zu überreden, allerdings ohne Erfolg.

Wie wichtig ist die Melancholie in deinen Songs?
Melancholie ist das Zauberwort, dass sich durch viele meiner Songs zieht. Es gab Zeiten, da bin ich fast gestorben an Melancholie, besonders die Songs von Joni Mitchel zerrissen mir die Seele. Diese Sehnsucht irgendwohin zu wollen, und dabei nicht zu wissen wohin eigentlich, und die gleichzeitige Trauer, dass irgendwas gerade einen verlässt, nie mehr wiederkommt. Nur man weiss nicht was ist es. Die Zeit, in der der innere Erzähler traurig ist, und niemand ist da, der ihm jetzt mal zur Abwechslung eine Geschichte erzählt.

Ist von "woanderssein" ein Video geplant und damit vielleicht auch ein Angriff auf die Charts?
Geplant ist ein Video derzeit noch nicht. Aber dass kann schneller passieren als man denkt. Woanders sein ist ja auch eine Nummer ,die man sich sehr gut im Radio oder im Club vorstellen kann. Um in die Charts zu kommen, ist ja nicht unbedingt immer die Qualität eines Songs ausschlaggebend, dass wissen wir ja nicht erst seit waddehaddedudennda, sondern da ist Marketing gefragt, viel Geld und gute Drähte.

Du wechselst in deinen Songs zwischen harten Sprachgesängen und fast Musicalartig inspirierten Chorälen, wie wichtig ist die Stimme?
In einer Band macht der Sänger 50% vom ganzen aus. Das muss man klar sehen. Wo gesungen wird, sind die Instrumente Beiwerk und Stützen des Textes. Deshalb ist es wichtig an den Stimmen zu arbeiten. Die Engländer und Amerikaner legen sehr viel mehr wert auf Satzgesänge. Diese Bands proben sehr viel zuhause trocken, ohne Instrumente. Perfekte Backvokals bringen auch verdammt viel Farbe in die Musik. Musicals und Opern üben ja eine starke Faszination aus.

Woher nimmst du die Ideen für die Texte? Verarbeitest du auch eigene Erlebnisse?
Ja und nein. Es sind schon Teile aus meinem Leben, meine Erfahrungen und Erlebnisse, die da durchscheinen. Aber nicht 1:1, man müsste mich auch auf der Stelle einsperren, wenn alles wirklich ich wäre, was da in den Songs erzählt wird. So einer wie "dasTier" dürfte nicht wissentlich frei rumlaufen. Allerdings merkwürdige Gedanken, die ich keinem erzählen würde, habe ich selbstverständlich auch. Für die Beschreibung von Depressionen wie in "Tränen der Seele" hatte ich mich z.B.. an meine schlimmsten Zeiten erinnert, und mir diesen Zustand als Dauerzustand vorgestellt, einfach grauenhaft

Was hältst du von den Vergleichen mit Joachim Witt?
Es gibt einige Dinge, da könnte man schon Parallelen sehen. Wir sind fast im selben Alter. Er hat in den 80ern NDW gemacht, ich ebenfalls. Äh...tja! Meine band, hatte mit der Single "bikini Mädchen" in den ersten Wochen einen doppelten Airplay wie Nenas "neunundneunzig Luftballons", kam dann leider wegen sexistischen Tendenzen auf dem Index und durfte bei der Musiksendung Formel 1 nicht gespielt werden. "woanders sein" würde es in dieser jetzigen Form wohl kaum geben, wenn ich nicht zuvor "die flut" gehört hätte, da bin ich ehrlich. Wer träumt nicht manchmal davon, wie es wäre in einer anderen Dimension zu sein, wo vielleicht alles schöner ist, doch leider geht es nicht. Ausser "Die Flut" kenne ich neben dem "goldenen Reiter", "Herbergsvater" nix von Witt. Was uns beide völlig unterscheidet ist, dass ich auf meinem Instrument live eine Feuersbrunst entfachen kann, da wird Witt wohl passen müssen.

Die Musiker mit denen du zusammen gearbeitet hast, kommen aus den verschiedensten Richtungen, gibt es irgendwen, wer dich nachhaltig beeinflußt hat?
Mit 13/14 Jahren, ich spielte da bereits längst in Kneipen und Jugendhäusern rund um Dortmund, himmelte ich zwei Gitarristen an, die stilistisch unterschiedlicher nicht sein konnten. Klaus Walz (Epitaph) und Bernd Adamkewitz (Red Roosters/auch Filmusik "jede menge kohle"). Klaus war der richtig gute Riffer und Saitenzieher, sehr erdig. Bernd war der Jazzer, filigran, schnell , kopfmässig. Bernd hat mich auch ans Konservatorium herangebracht. 15 Jahre später habe ich dann eine enttäuschende Jamsession mit Bernd gemacht, und habe da zum erstenmal gemerkt, wie weit sich mein Gitarrenspiel in den vielen Jahren des tägich 10-12 stunden Übens entwickelt hatte. Bernd hing zu der Zeit oft bei Jaco Pastorius, Pat Methaney, Joni Mitchell, Weather Report in den USA rum, da hat er wohl viel Partie gemacht. Wer mich noch stark beeinflusst hat, war Ramesh Weeratunga, ein hervorragender Songschreiber und Sänger, hat ua. Songs für Sally Oldfield oder Justin Haywood von den Birds geschrieben. Witzigerweise hat Ramesh damals einen ziemlich dicken Majordeal aber nur gekriegt, weil ich für ihn eine Single geschrieben hatte "about you" wurde dann von Curt Cress und Udo Arndt produziert. Ramesh und ich hatten mit der Feel Wheel band in den 80ern einige Tourneen gemacht. Da war dann Hansi Behrend von Ideal dabei, Thomas Glanz von Maffey, Christian Evans, Drummer bei Ulla Meinecke, Peter Kühmstedt Basser von Stoppock, war eine ziemlich gute band würde ich mal sagen. Ansonsten waren meine Vorbilder, die Bitarristen Brian O`connor, George Benson, Joe Pass, Pat Martino, Jose Feliciano und Musiker wie Joe Zawinul, Crusaders, Donovan, Beatles, Joni Mitchell, Troggs, Simon and Garfunkel, Yes, Led Zeppelin usw. jenachdem in welcher Periode des Lebens ich mich befand. Heute höre ich ausschliesslich Bornschlegel.

Ein neumodernes Wort ist "Zeitgeist". Glaubst du, daß du ihn triffst?
Wenn ich bedenke, dass der Song "das ewige Eis" jetzt fast drei Jahre alt ist, und die Dinge, die sich momentan weltpolitisch abspielen genau auf den Punkt trifft, dann denke ich schon, dass ich gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin. Demnächst kommt bei usound ein ganze Reihe CDs mit unveröffentlichten Songs von mir auf dem Markt. Da kann man mal verfolgen, ob Bornschlegel ab und an den Zeitgeist hatte. Da ist u.a. der Tekknosong "you need it", der wurde von mir bereits vor 1981 produziert, aber das scheint in der Branche normal zu sein, du kommst mit was an, was keiner kennt, und die Labels schütteln den Kopf, es braucht manchmal zig Jahre bis die das raffen. Einmal hatte ich damals einen Song von dr.walker (air liquide) produziert. Da wollte ich noch so einen richtigen Song drausmachen, mit Refrain/Strophen/C-teil/Finale tralala. Das wollte der aber gar nicht haben. Der wollte das ganz monoton halten, ohne viel Abwechslung, bloß keine Aufregung, könnte sich ja jemand erschrecken. Au, au, hatte ich noch gedacht, und heute, 15 Jahre später, verkauft er diese Art von Musik ohne ende.

Wann und wo wird man dich Live bewundern können? Mit welchen Musikern wirst du Live auftreten?
Erst einmal abwarten wie sich das Album verkauft. Ich möchte nach Musikern Ausschau halten, die eine gewisse spielerische Reife mitbringen, und die haben dann vielleicht klare finanzielle Vorstellungen, die ich momentan so nicht realisieren kann. Tom Morrison, der Gitarrist von Bliss bzw. Meeker Seeker hat grosses Interesse an einer Tournee angemeldet, allerdings wohnt er in London und dass kann von daher wieder teuer werden.

Deine Wünsche, deine Ziele?
Gut CDs verkaufen, Urlaub machen, Tour machen, genug Geld haben, um sich einige Zeit zurückziehen zu können, um dass beste Album der Welt zu machen. Dann in ein warmes Land ziehen. Dann was gegen den Hunger und die Armut in der Welt tun. Auch wünsche ich mir, dass die Europäer sich kopfmässig endlich zusammentun, und den Amerikanern zeigen wie man Realpolitik macht, und die USA dass dann auch so annimmt, und höflich danke sagt.