Gothic für Plattenbaukids Untoten (Gothic/Wave)

Passend zu Halloween veröffentlichte das Berliner Duo, bestehend aus Greta Csatlos (Gesang) und David A.Line (Gesang, Instrumente, Programming) ihr bereits sechstes Album. Nach straightem Goth Rock auf dem Vorgänger überzeugen die Beiden auf "the look of blasphemie" mit sehr dunklen, melancholischen Wave. Das Besaondere an ihrer Musik sind vor allem die verspielten Melodien, welche Adaptionen aus einem Kinderlied sein könnten. Die Veröffentlichungen erscheinen auf dem eigenen Label "Sonic Malade". Neben musikalischen Erzeugnissen gibt es hier auch noch Schwarze Kunst, Comics und den aktuellen Roman von David. Davids Projekt "Soko Friedhof" erlangte durch die Medienberichte zum "Satansmord" in Witten eine zweifelhafte Berühmtheit. Durch bewußte Verwendung von Klischees und das konsequente Verfolgen eines ganz eigenen Stils eckt diese Band immer wieder bei Kritikern und Hörerschaft an. Es scheint nur zwei Richtungen zu geben. Man liebt sie abgöttisch oder man haßt sie. Für mich sind sie einfach eine der außergewöhnlichsten Bands der Gothic Bewegung. Eine Band, die trotz aller Anfeindungen, den eingeschlagenen Weg mit Vehemenz weitergeht. Mehr über dieses interessante Duo erfahrt ihr im folgenden Interview oder auf www.untoten.com .

Wo seht ihr die Hauptunterschiede zum Vorgänger?
David: Ich denke der Unterschied ist weniger gross als der zwischen "Schwarze Messe" und "Vampire book", denn wir haben bewusst auf eine "intellektuelle" Weiterentwicklung verzichtet, das bedeutet, wir haben es geschehen lassen. Wir waren sehr inspiriert von dem Gedanken unmittelbare Songs für eine "aufbegehrensbereite" Jugend zu schreiben, der Soundtrack für dein Leben, in dem alles Blasphemie ist, was nicht den Vorstellungen der Erwachsenen, der Medien, oder der öffentlichen Meinung entspricht. kurz: lass dir keinen Glauben verkaufen.

Hatten die Medienberichte um den Wittener Satansmord einen Einfluß auf das Album?
Zum Schluss hin schon, und das gewaltig. Gewisse Vorfälle nach diesem Mord (Medienreaktionen etc.) haben uns voll darin bestärkt, unseren Weg weiter zu gehen. Ich denke, wenn man versucht, Künstler derart zu diffamieren, sie "verbieten" zu wollen oder sie in Gossip- Sendungen als "Satanisten Jugendverderber" hinzustellen, und sie mittels Polizei und Behörden unter Druck zu setzen dann ist diese Kunst auf dem richtigen Weg. Man kann es auch so sehen: Je mehr Probleme wir bekommen, desto süsser wird unsere Musik. Das ist unsere Quittung für ihre Ablehnung. Anders gesagt, wir kriegen sie alle, wenn sie uns nicht zuvor kriegen.

Während "Vampire Book" inhaltlich geschlossen war, erscheint "the look of Blasphemie" als Aneinanderreihung von Erlebnissen und Gefühlen. Gibt es einen "roten Faden"?
Das ist schon richtig. Eine CD ist üblicherweise eine Aneinanderreihung von Tracks. Wir haben kein eindimensionales Konzept verfolgt, ist also keine Platte über das Mittelalter mit Mittelalter Instrumenten und so weiter. Nichts gegen solche Platten, aber wir leben in einer untoten, postmodernen Plastikwelt zwischen Plastiktotenköpfen, Plastikradio und Plastikhetzjagden auf Grufties. Und so ist die platte geworden. Schwarzes Plastik. Das ist der rote Faden, es ist Gothic für uns Plattenbaukids

Teilweise lassen die Texte der Interpretationsfreude des Hörers freien Lauf. Ist euch wichtig wie die Songs verstanden werden?
Ja, 'ne menge Leute meinen, wir hätten geile Titel und seltsame Texte. Nee, ich mag sie nicht 'ne menge Leute in der Szene halten uns für arrogante Spinner. Ich denk, das sind nur zum Teil Vorurteile. Ich stehe bei unseren Texten auf Kernsätze wie: obscene and something sweet the sea is an offshore animal das sind mantras. Ich liebe das Hexengedicht "catnip", da sitzt eine hässliche kleine süsse Hexe vor dem Spiegel und kämmt sich das Haar, der Spiegel ist natürlich ein Fernseher und die Eitelkeit ist der Selbstschutz.

Die Melodie von "Why do bats fall in Love" erinnert mich an "London calling" von The Clash. Zufall?
Ja, das hast du fein erkannt. Eben dieser Song ist sozusagen eine Zitatensammlung. Es geht mir darin um das coole Modegefühl, ein Gothic zu sein. Zwischen Show, Kommerz und dem Abgrund unsrer tiefsten Seelenregungen.

Könnt ihr ein wenig zu "summerlove" erzählen?
Es stört mich in Gotenclubs enorm, dass nur immer wieder diese Samplermusik gespielt wird. Mittlerweile bietet sogar der Musicstore Sample CDs mit Gothic Sounds und manche halten das wohl für eine Stilvorgabe. Wir, also Erfinder der deutschen Gruftgedankenguts haben uns dagegen immer gewehrt und "summerlove" ist eine Verbeugung vor klassischen Dropkicksounds an Punk und Hardcore angelehnt siehe Misfits meat Puppets The Who oder die Carpenters--ohne die es nicht geht: knüppelpop. Ja und der Text ist reine Trashkultur. Ich liebe diese Filme in denen alles falsch ist. In denen die Vampirin Bikinistreifen hat, das ist: summerlove

Trotz aller Düsternis wirkt das Werk sehr verspielt. Durch die Eingängigkeit der Songs könntet ihr auch die Ohren eines "Normalhörers" erfreuen. Ist es euch wichtig in der "schwarzen Szene" den Großteil der Hörerschaft zu besitzen?
Nein, es ist nicht wichtig. Es ist passiert. Wir haben uns natürlich bewusst eine Art Nischenplatz ausgesucht. Man kann sie nämlich nicht sehr lange ertragen, all die Maintsteam Acts und Schwätzer von Plattenfirmen, die gerade einen grossen Coup mit irgendeiner Schweinerockband vorbereiten und die meinen, ein Musiker sei automatisch ein verwöhnter geldgeiler Mensch, der ihnen freihaus in den Hintern kriecht. Da ist unsere Geschichte, dass wir in besetzten Häusern angefangen haben, (die uns im übrigen für sehr, sehr verwöhnt und Geldgeil halten!). Was die "schwarze Szene" anlangt, so ist auch die sehr geteilt. Es haben "Verteilungskämpfe" längst begonnen. Es geht um ziemlich viel Geld. Es gibt Bands wie Him, Lacrimosa, Untoten, und was weiss ich noch unter einem grossen Dach. Es gibt sogar Metalbands, die meinen sie hätten den Begriff "Gothic" erfunden. Obskur nicht wahr? Musikalisch hat das Alles eh nichts miteinander zu tun. Wir waren schon immer eine Kellerband mit grossen Sehnsüchten und dunklen Gefühlen & Geheimnissen, die wir mittels unsrer Kunst mitteilen wollen. Und das wird sich auch nicht ändern.


Das Artwork und Booklet zur neuen CD sind sehr aufwendig gestaltet, wie wichtig ist die Verpackung?
David: Das äusserliche ist das Äusserliche und das macht einen Höllenspass, wenn es gut aussieht. Es gab aber auch Zeiten, da hielten uns alle für total krank und abgefahren. Man sieht also, je professioneller die Form desto "edler", aber auch angreifbarer die Präsentation. Ich denke, wir haben uns im Kern nicht verändert. Es wird halt ein bisschen teurer, und bald schon wer weiss, klingen unsere Platten dann auch nach Hollywood.

Die "Untoten" sind nur ein Teil von Sonic Malade. Daneben veröffentlicht ihr Romane und Comics, nicht zu vergessen, das Seitenprojekt "Soko Friedhof". Wie sehr dient der Bekanntheitsgrad der Band den anderen Projekten.
David: Darüber denken wir nicht nach. Greta hat schon vor den Untoten gemalt und ich habe schon immer Musik gemacht und geschrieben. Und: Soko Friedhof hat wenig mit Untoten zu tun - ich hasse den Begriff Sideprojekt.

Ist das Arbeiten mit Klischees eine bewußte Provokation?
Nein. Ganz ehrlich, wir sind beide nicht ausgezogen, um zu provozieren oder Klischees zu verarbeiten. Wir haben sehr früh damit angefangen, uns mit gewissen Themen auseinander zu setzen. Ich denke, dass nicht jeder weiss, dass ein Roman von Golding mit dem "provozierenden" Titel "Herr der Fliegen" nicht unbedingt mit Gothicklischees zu tun haben muss, oder dass ein Edgar Allen Poe auch Themen wie Alkoholismus in seinen Romantic Geschichten verarbeitet. Wenn du bekannter wirst und für eine gewisse "Ästhetik" stehst, wirst du eben von der Aussenwelt dafür angegriffen. Wir haben nur einmal bewusst provoziert und das war mit dem Titel "schwarze messe". Damals fingen die Leute an, uns wegen Nekropolis in die Anne Clark Souxsie Sioux Ecke zu stecken, nur weil wir ein Mädchen am Mikro haben und auch einmal ein bisschen Clubspass verbreiten wollten, ganz nebenbei so einfach ist es nicht zu provozieren, die Gesellschaft hat sich das fein eingerichtet, als Deathmetal Band darfst du zerstückelte Frauenleichen auf dem Cover haben auf Hiphopplatten das Gangstertum verherrlichen, damit wird 'ne menge Geld verdient, aber je mehr Einfluss Leute wie wir, auf die "normale Gesellschaft" bekommen, desto härter werden die Kriterien: so dass es vorkommen kann, dass uns jemand anzeigt, weil wir das Wort "suicide" benutzen. Komisch. Da ist doch irgendwas im Busch. Deshalb geht für uns das jetzt erst richtig los. Das provozieren.

Ihr geht im November auf große Tour. Wie wird eure Live Show aussehen?
David: Wir werden ein paar unserer schönsten Lieder spielen. 12.

Was sind die Pläne für die Zukunft?
Neue soko platte: "Geschichte eines Werwolfs", im Frühjahr 2002. Mein Roman "schwarze messe" ist soeben erscheinen. Und über Gretas Kunst veröffentlicht der Dresscode Black Verlag bald ein Büchlein mit dem Titel: schwarzer Engel aus Berlin mit ihren künstlerischen Arbeiten, Gemälden, Fotos etc.

Wie würdet ihr dem Papst eure Musik beschreiben?
Ich kenne den Mann nicht, deshalb erübrigt sich eine Antwort.