Schwermut als Stigmata Tears of Mystigma

Noch gehört diese Band zu denjenigen, die ohne Label ihre Musik mit viel Herzblut und Innovation unter die Leute bringen. Auffallend dabei die perfekte Produktion, die den großen nicht nur das Wasser reichen kann, sondern sie gleich überschüttet. Ihr Sound ist atmosphärisch und düster, liefert aber mit der Saitenarbeit einen druckvollen Aspekt hinzu. Die durchgehend präsente Melancholie harmoniert mit den eingängigen und dennoch energiegeladenen Arrangements, wobei es der Band gelingt, immer wieder neue Spannungsbögen und Überraschungsmomente zu setzen. So klingt man mal sehr doomig, dann wieder Goth lastig. Mit ihrer ersten vollständigen CD "Reflect Projekt: Colder Side" werden sie alle schwarzen Herzen begeistern, und hoffentlich auch den ein oder anderen Labelmanager. Die das Werk durchziehende Dunkelheit legt sich wie ein Schleier über die Seele des Hörers. Die Lyrics runden das Gesamtbild des Albums ab, besonders weil sie mit einer tiefen, aber immer melodischen Stimme dargebracht werden. Kontakt: www.tears-of-mystigma.de (andreas)


Stellt euch doch bitte unseren Lesern kurz vor.
Jörg: Die Band existiert seit Anfang 93. Im Oktober 93 wurde auch bereits das erste Demo veröffentlicht. Die Band begann damals mit melodischen Death Metal. 1994 gab es 2 Line-Up wechsel, es entstand daraufhin die Besetzung die bis zum heutigen Zeitpunkt das feste Gerüst von Tears of Mystigma bildet. Mit dem neuen Line-Up ging es ins Studio und im März 1995 gab es das Demo "Caressing Mystigma", welches die Band um einiges melodischer und vielfältiger präsentierte als auf dem vorherigen Werk. Zu diesem Zeitpunkt machten wir uns erstmals einen Namen im Underground, nicht zuletzt durch einige ansprechende Reviews in bekannten Szenemagazinen. 1997 gaben wir unser CD- Debut. Auf "The vanishing sun" konnte man melodisch eingängigen Gothic Metal hören und es kristallisierte sich so langsam heraus wo bei uns die Reise hingehen würde. Wir wollten uns dann weiter verändern, so dass wir Ende 97 einen Keyboarder in die Band holten. Ein Jahr später, also Ende 98 erschien ein kleine Promo-CD mit 2 Stücken, hier war bereits der deutliche Schritt in unsere heutige musikalische Richtung hörbar, nicht nur aufgrund der Keyboards, die zum ersten mal in höheren Maße bei uns zu hören waren. Es kam zum damaligen Zeitpunkt vermehrt zu Konflikten mit dem Schlagzeuger, so dass eine Trennung unausweichlich wurde. Im Frühjahr 99 stieg schliesslich unser heutiger Drummer Jens bei uns ein. Im Herbst selben Jahres begannen wir bereits mit den Aufnahmen zum aktuellen Album, welches schliesslich im November 2000 veröffentlicht wurde, und mit dem wir auch sehr zufrieden sind.

Ihr existiert bereits seit 93. Euer Musikstil hat sich sehr verändert, was waren die Gründe dafür?
Unsere musikalische Weiterentwicklung war und ist für uns ein normaler und selbstverständlicher Prozess. Die Band ist im Laufe der letzten Jahre sehr gewachsen, wir haben Erfahrungen gesammelt, unterschiedliche Einflüsse, sowohl musikalische als auch Einflüsse aus dem Leben wurden aufgenommen und verarbeitet. Die musikalischen Änderungen sind aber auch Ergebniss persönlicher Veränderungen, sozusagen ein Prozess der menschlichen Reife. Als wir anfingen, waren wir überhaupt schon froh einmal etwas aufzunehmen oder einmal ein Konzert geben zu dürfen.Mit den Jahren wächst man eben, die musikalischen Ansprüche steigen und die Vorstellungen bezüglich einzelner Songs werden genauer. Konkret gesagt, mit ausschlaggebend für die veränderte musikalische Richtung ist der persönliche und musikalische Reifeprozess der einzelnen Musiker bei Tears of Mystigma. Ohne die Line- Up wechsel wäre dieser Prozess so aber sicher nicht zum Tragen gekommen. Deshalb waren die Hinzunahme eines Keyboarders sowie die Trennung vom alten Drummer ebenfalls sehr wichtige Schritte für die Band.

Welche Bedeutung hat der Name "Tears of mystigma?
Tears steht für die melancholische, schwermütige Seite unserer Musik. Das Wort Mystigma ist eine Eigenkreation von meinem Bruder und Sänger Torsten. Es lässt sich aufsplitten in my und stigma, soll heissen ein Stigmata zu haben, sozusagen gebranntmarkt oder von dem Leben gekennzeichnet zu sein.

Eure Musik ist sehr düster, entstehen Texte und Musik in bestimmten Stimmungen?
Sicher ist es vonnöten in einer entsprechenden Stimmung zu sein um etwas kreatives zu erschaffen. Ich persönlich kann in einer entspannten und relaxten Situation am besten arbeiten und Ideen umsetzen. Also keineswegs die Weltuntergangsstimmung, die man annehmen könnte. Wenn ein Song fertig ist, dann versucht Torsten die Stimmung des Songs aufzugreifen, ordnet seine schon vorhandenen Ideen und fügt sie den jeweiligen Song zu. Das kann er am besten zu später Stunde bei einer Flasche Wein.

Wie habt ihr es geschafft in allen Februar Ausgaben von den wichtigsten Zeitschriften besprochen zu werden?
Nun, wie haben wir das geschafft.....ich denke wir sind da nicht anders vorgegangen als ein Haufen anderer Bands auch, nur mit dem Unterschied, dass wir halt so ziemlich überall gut angekommen sind. Für uns im übrigen eine grosse Bestätigung unserer harten Arbeit.

Fast alle Kritiken sind positiv, bis hin zu Begeisterungsstürmen, habt ihr damit gerechnet?
Als wir mit den Aufnahmen begannen und wir die ersten Ergebnisse hörten, da waren wir schon etwas überrascht, dass es schon so gut klang. Im weiteren Aufnahmeverlauf merkten wir immer stärker, dass da was ziemlich ordentliches entsteht. Als die Platte dann ganz fertig war, waren wir von dem Ergebniss begeistert und dachten uns schon das die Reviews eigentlich recht gut ausfallen müssten. Das sie aber so gut werden würden, damit haben wir dann doch wohl nicht ganz gerechnet und waren doch überrascht und zugleich natürlich auch begeistert.

Euer Album trägt den Titel "Reflect Projekt: Colder Side", was wollt ihr damit ausdrücken?
Als wir am Ende das fertige Album hörten stellten wir auch fest, dass es eine ganz besondere Atmosphäre besitzt .Die Songs vermitteln eine stellenweise warme, harmonische und relaxte Stimmung. Gleichzeitig besitzen sie aber auch eine kalte und düstere Stimmung, oder genauer gesagt die kalte und düstere Seite der Band Tears of Mystigma. Somit ist der Albumtitel als Aufforderung an den Hörer zu verstehen, das Album hören und die Stimmungen zu reflektieren, so einfach ist das.

Verarbeitet ihr in euren Texten eigene Erfahrungen?
Unsere Texte handeln einerseits von persönlichen Erfahrungen und Gefühlen, andererseits sind es Beobachtungen aus dem täglichen Leben. Cold coloured beispielsweise handelt von der Suche nach der eigenen Persönlichkeit, der Suche nach sich selbst. Subversive ist ein Song über die Widersprüchlichkeit von Religionen, hinter denen sich ja oft Machtgier und eiskaltes Kalkül versteckt. To dread a new horizon, die Angst vor dem Morgen, Zukunftsängste unter denen einige Menschen leiden. Pale reflection beschreibt das Gefühl der totalen Verzweifelung, der Ausweglosigkeit, wenn es quasi keine Hoffnung mehr gibt. Guilt, der Titel sagt es schon....es geht um Schuldgefühle die einen extrem belasten können. Bei Supreme Suffering geht es um Verlusterfahrungen jeglicher Art, bei denen wir uns alle oft Egoistisch verhalten, in dem wir nicht loslassen können, die Person nicht gehen lassen wollen. The harvester ist ein etwas ironischer Text, gespickt mit einer Prise schwarzen Humor behandelt er die manisch-depressive Erkrankung. In Weakness geht es um bizarre Gedankengänge die einen fesseln und Macht über dich ergreifen, so dass man schliesslich hilflos und schwach gegenüber den eigenen Gedanken und Verhaltensweisen wird. Disillusion ist ein Song über die Orientierungslosigkeit der einige Menschen in unser heutigen Zeit unterworfen sind. Schuld daran ist der Niedergang des Individualismus in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft.Und dann haben wir da noch The eve of neptune, der sich auch wieder gegen Religionen richtet.

"Weakness" klingt wie Pop Wave aus den 80ern, seit ihr beleidigt, wenn jemand so etwas sagt?
Nein, sicher nicht, denn wenn jemand so etwas sagt, dann liegt er ja auch nicht so stark daneben. Unsere Songs vermitteln scheinbar ein wenig das Flair der 80er Jahre, denn wir wurden von einigen Leuten auch schon mit Depeche Mode verglichen. Ich muss immer schmunzeln wenn ich so etwas höre, denn einerseits schmeichelt es einen natürlich, andererseits ist es an sich aber völlig "absurd" mit so einer "Legende" verglichen zu werden, die Vorreiter einer riesigen Szene und Einfluss unzähliger Bands war und ist.

Für eine Eigenproduktion klingt das ganze Album sehr professionell, wie und wo habt ihr es aufgenommen?
Wir haben das gesamte Album selbst produziert. Wir haben uns digitales Aufnahmeequipment zugelegt und die Sachen quasi in den eigenen vier Wänden aufgenommen, was es uns ermöglichte relaxt und unabhängig von Termindruck und Studiobesitzern zu arbeiten. Wir waren nur für den Mix in ein Studio. Hierfür wählten wir das Swamp Studio in Emsbüren in Niedersachsen. Wir mixten zusammen mit Stefan Happe, er ist zugleich Studiobesitzer und war auch in der Vergangenheit an sämtlichen Produktionen von uns beteiligt, somit kennt er uns gut und wir kennen ihn gut, das erleichterte die Arbeit.

Wollt ihr mit eurer Musik eine Botschaft vermitteln, wenn ja, welche?
Hmm, eine direkte Botschaft sicher nicht......aber vielleicht sollten sich die Menschen manchmal einfach mehr Zeit für alles nehmen, das Leben einfacher intensiver leben und sich des öfteren mal einige Gedanken über sich und der Umwelt machen, einfach über den eigenen Tellerrand schauen. Unsere Musik hat sehr viel Tiefgang und ich hasse Oberflächlichkeit jeglicher Art. Die Zeit heute ist leider sehr schnellebig und hektisch geworden, da bleibt manchmal nicht viel Zeit um zur Ruhe zu kommen. Ich weiss das unsere Songs stellenweise einen starken meditativen Charakter haben und somit stellenweise zum träumen oder auch entspannen einladen. Vielleicht ist das unsere Botschaft.....unsere Songs hören und ein wenig in sich gehen , nachdenken und die Oberflächlichkeit des Alltags hinter sich lassen.....

Liege ich völlig falsch, wenn ich bei einigen Songs ein bißchen Cure (nur musikalisch) heraus höre?
Ja ja, auch diesen Vergleich hören wir nicht zum ersten mal, ha ha. Nein, es kann durchaus sein das einige Stellen ein wenig nach The Cure klingen. Ich denke, dass das in erster Linie auf einige Basslines und den Sound der halbakustischen Gitarren zutrifft. Wobei ich aber auch sagen muss, dass The Cure eigentlich keinen Einfluss auf die Band darstellt, ich persönlich z. B. habe nicht einmal eine einzige Cure Platte zu Hause.....und ich glaube von meinen Kollegen auch keiner.

Gibt es außerhalb der Musik, Sachen die euch beeinflußten (Literatur, Film)?
Nein, es gibt eigentlich keine besonderen Bücher oder Filme die uns irgendwie beeinflusst haben, es ist vielmehr das direkte und reale Leben mit all seinen Höhen und Tiefen welches Einfluss auf uns ausübt. Wir alle gehen mit offenen Augen durchs Leben, da bleiben oftmals viele Dinge und Emotionen hängen die einen in irgend einer Art und Weise beeinflussen.

Wird es demnächst mal eine Tour von euch geben?
In absehbarer Zeit wird es wohl keine Tour von uns geben, da wir ja zur Zeit immer noch vertragslos sind und uns somit kaum Möglichkeiten offenstehen. Wir liebäugeln immer damit evtl. mal für einige Gigs auf einer Tour aufzuspringen. Eine längere Tour wäre für uns auch schwierig, da wir alle auch noch voll berufstätig sind und uns somit wohl kaum alle zur gleichen Zeit vom Arbeitsplatz loseisen könnten. Allerdings wenn wir es frühzeitig wüssten, dann gäbe es unter Umständen schon eine Möglichkeit. Zur Zeit spielen wir halt viele etwas kleinere Gigs in unterschiedlichen Clubs. Was uns auch sehr reizen würde sind die neueren Bundesländer in denen wir leider noch nicht waren, oder das WGT wäre für uns sehr interessant....mal schauen was die Zukunft noch bringt.....es ist nichts völlig ausgeschlossen.

Würdet ihr einem depressiven Menschen eure Musik empfehlen?
Interessante und schwierige Frage zugleich. Die meisten würden natürlich sagen ,"bloss nicht", aber ich bin mir da gar nicht so sicher.Natürlich unsere Musik ist eher schwermütig und beinhaltet nicht gerade fröhliche "gute Laune Melodien", sondern vermittelt eher die bereits erwähnte düstere melancholische Atmosphäre. So gesehen würden unsere Songs diese depressiven Gedanken vielleicht noch verstärken, andererseits sehe ich auch die Chance, dass ein depressiver Mensch mit unserer Musik vielleicht seine negativen Gedanken besser verarbeiten kann, indem er seine Depression mit Tears of Mystigma- Musik richtig auslebt, man müsste es mal ausprobieren.

Was sind eure weiteren Pläne?
Momentan wollen wir einfach unsere neue Scheibe viel promoten und einige Gigs spielen. Zur Zeit läuft es auch sehr gut für uns,da wir ja auch von Seiten der Presse bisher sehr gute Resonanzen bekamen. Ich hoffe auch, das das zu einer positiven Zukunft der Band beiträgt. Natürlich wollen wir auch so schnell es geht neues Material nachlegen, d.h. das wir vorraussichtlich noch in diesem Jahr eine MCD herausbringen werden, auf der eine erneute Weiterentwicklung auszumachen ist. Ein neuer Track existiert bereits,für die anderen haben wir schon einige Ideen und Vorstellungen. Mal schauen, was da herauskommt, wir sind zumindest ganz optimistisch.