Totenschiff, Terminprobleme, Tatsachen Nagelfar

Lange musste gewartet werden, denn früh war "Virus West", das neue Album der Formation Nagelfar angekündigt. Die deutsche Black Metal Band gehört sicher mit zu den besseren und eigenständigsten Gruppen der deutschen Schwarzmetalllandschaft und hat sich auf extremer Ebene einen Namen machen können. Ihr drittes Werk ist schnelle rund härter geworden und der Titel klingt provokativ. Im Endeffekt steckt aber anderes dahinter, als der Titel erwarten lässt. Zur Band, zum Album und den Terminproblemen wurden mir ein paar klärende Fragen beantwortet. (eller)


Nachdem es in eurer Bandgeschichte ja einige Besetzungswechsel gab, ist meine erste Frage, ob ihr jetzt ein stabiles Line-Up gefunden habt?
Zumindest teilweise. Seit Ende '99 haben wir immerhin einen neuen Sänger namens Zingultus, der ja auch bereits auf "Virus West" zu hören ist. Einen festen Bassisten haben wir immer noch nicht, arbeiten aber für Live-Auftritte mit einem Session Musiker. Im Studio haben Zorn und ich den Bass eingespielt.

Für Unwissende: Was bedeutet Nagelfar und wie seid ihr auf den Namen gekommen?
Der Mythos des 'Naglfar' stammt aus der Religion der germanischen Heiden. Naglfar ist ein Schiff, das aus den Finger- und Fußnägeln der Toten gebaut wird und unmittelbar vor dem Weltuntergang die Riesen zum Kampf mit den Göttern führt. Wir haben die deutsche Schreibweise des Namens übernommen, weil wir eine deutsche Band sind und sich unser Konzept auch eher auf den lokalgeschichtlichen Hintergrund bezieht.

Ich war beim ersten Hören überrascht, dass es dieses Mal gleich sieben Songs gibt und die nicht ganz so lang sind wie auf "Sronthgorrth". Warum ist wird ein normaler Nagelfar Song immer so lang?
Keine Ahnung. Wir sind rein intuitiv nicht in der Lage, kurze Lieder zu schreiben. Unsere Musik ist halt sehr atmosphärisch und lebt von stark divergierenden Stimmungen, nicht von hintereinandergesetzten Riffs. Wenn uns die Atmosphäre eines Songs noch nicht genügend ausgebaut ist, müssen wir ihn eben nochmals umstrukturieren, und das resultiert dann oft in langen Spielzeiten. Bei "Srontgorrth" trat dieser Effekt noch verstärkt ein, weil es hier darum ging, eine Geschichte musikalisch umzusetzen.

Wie entsteht ein Song bei euch?
In der Regel arbeiten Zorn und ich zunächst die Gitarrenideen aus und setzen dann das Schlagzeug dazu. Von dem Grundgerüst machen wir meistens eine Probeaufnahme und setzen uns dann daran, die Bassparts und eventuelle andere Elemente einzubauen (etwa Keyboard-Parts oder Samples). Im Anschluß daran entsteht der Text. Der war bei "Srontgorrth" allerdings vorher vorhanden und hat insofern die Musik mitbestimmt.

Ihr werdet oftmals als eines der Aushängeschilder der deutschen Black Metal Szene genannt. Wie seht ihr euch in der Szene?
Ich fühle mich sehr unwohl dabei. Ganz abgesehen davon, daß der Begriff der 'Black Metal Szene' heutzutage schwammiger denn je ist (um es vorsichtig auszudrücken), geht mir die Entwicklung viel zu schnell. Wir entstammen den Mitt-Neunzigern und damit einer Ära, in der es in dieser Stilrichtung noch so etwas wie eine Underground Szene gab. Ich hätte diese auch gerne behalten, aber diverse Gegebenheiten haben das leider verhindert, und somit geraten jetzt auch wir in so einige Sphären, in die wir nicht gehören. Wir sind nämlich definitiv kein Aushängeschild, sondern nur Teil der deutschen BM-Szene, nicht mehr und nicht weniger. Die Größenordnung, in der wir uns befinden, wird von vielen Leuten eindeutig überschätzt; keine Bescheidenheit, sondern Tatsache.

Der Albumtitel "Virus West" und einige weitere Songs ("Hetzjagd in Palästina") kann man als sehr politisch und brisant auslegen. Wovon handeln eure Songs wirklich?
Nagelfar-Texte haben nie gehandelt, handeln nicht und werden nie handeln von irgendwelchen realen Gegebenheiten. Wir schreiben keine Pro-Kriegslieder, keine Anti-Kriegslieder, keine faschistischen Lieder und auch keine anti-faschistischen Lieder. Der ach so brisante Text von "Hetzjagd in Palästina" behandelt eine erfundene Geschichte aus dem frühen Mittelalter, ein düsteres Märchen von der grausamen Vorgehensweise der sogenannten "Heidenbekehrer", die letztendlich nichts anderes als sadistische Mörder waren und ein Kapitel christlicher Geschichte präsentieren, das die Kirche natürlich gerne unter den Tisch fallen läßt. Natürlich ist dieses Thema vor langer Zeit Realpolitik gewesen, aber uns ging es dabei weniger um persönliche Stellungnahme (die dürfte unser gesamtes Konzept ohnehin schon verraten...), sondern in erster Linie um das Bestreben, eine solche Gegebenheit in eine Art Prosa umzusetzen. Auch die restlichen Nagelfar-Texte fußen auf gänzlich unrealen Gegebenheiten, die meisten Texte sind rein phantastisch gestaltet.

Wieso hat sich das Erscheinen eurer CD so lange verzögert? Die war ja schon sehr lange angekündigt und in einigen Magazinen sogar schon zweimal besprochen.
Das war ein Problem der Plattenfirma, aber ich habe gar nicht vor, da so lange drauf rumzureiten. Ars Metalli haben ja bereits selbst eingestanden, in der vergangenen Zeit mehr Fans als Geschäftsleute gewesen zu sein. Da auch wir eher Fans als professionell arbeitende Musiker sind und sich daraus auch schon mal ein mehr oder minder großes Chaos ergibt, können wir es uns auch nicht leisten, allzu große Schimpferei anzusetzen. Der Fehler war nur, die Platte so früh anzukündigen. Es war eigentlich von vornherein unwahrscheinlich, daß "Virus West" noch im Jahr 2000 hätte veröffentlicht werden können, insofern haben die Leute verständlicherweise nach mehreren ergebnislosen Bestellungen das Kotzen bekommen.

Wird es Live-Auftritte von euch geben?
Ich hoffe ja. Wir haben zur Zeit endlich wieder ein live-fähiges Line Up, und wenn sich die Gelegenheiten ergeben, werden wir auch zur Stelle sein.

Was wird man als nächstes von euch erwarten können?
"Virus West" wird in nächster Zukunft als Doppel-LP veröffentlicht (ich halte mich mit Terminen zurück). Ansonsten arbeiten wir natürlich an weiteren neuen Werken, aber hierüber ein Wort zu verlieren wäre nun eindeutig zu früh.