Garten der Lyrik Irrlicht

Die Schweizer Band existiert seit 96. Mit "Garten der Seraphine" erschien kürzlich ihr viertes, in Eigenproduktion, entstandenes Album. Über einen dunklen, minimalisten Sound legt sich die Wortgewalt der Sprache. Bestimmend ist die anspruchsvolle Lyrik. In ihr verwebt die Band geschickt die Realität mit Träumereien. Gefühlvoll führt man den Hörer in eine Welt der Dunkelheit. Die thematischen Schwerpunkte (Vergessenheit, Enttäuschung, Düsternis, Melancholie und Tod) der Texte sind von tiefer Hoffnungslosigkeit geprägt. Teilweise legen sie die Finger in offene Wunden. Jeder, der sich intensiver mit der lyrischen Arbeit von Irrlicht beschäftigt hat, erkennt seine eigene Gedankenwelt wieder. Endzeitromantik, welche die Realität nicht aussen vor läßt. Bleibt zu hoffen, daß diese Band endlich ein Label findet. Info: www.irrlicht.ch (andreas)
(MN: Markus Nauli - MM: Markus Meier - RK: Renato Kienberger)

Ihr seit schon seit einer längeren Zeit aktiv, aber in Deutschland nur Insidern bekannt. Woran liegt das?
MN: Mag sein, daß wir für manche Leute in der Szene noch als eher unbeschriebenes Blatt gelten, obwohl wir in den letzten Monaten eine regelmäßige Livepräsenz an den Tag gelegt haben. Neben den Support-Gigs bei Illuminate spielten wir ebenso am diesjährigen WGT in Leipzig. Auch die Medienlandschaft wurde in den letzten Monaten mehr und mehr auf uns aufmerksam. Irrlicht geht also zur Zeit einen gesunden, soliden Weg in die richtige Richtung. Der nächste Schritt wird für uns nun die Suche nach einem geeigneten Label, bzw. Vertriebspartner sein.

Da sich das ändern soll, stellt euch doch bitte kurz vor!
RK: Irrlicht stellt in erster Linie ein Lyrikprojekt dar. Markus Nauli und Markus Meier gründeten die Band 1997 um ein Projekt zu starten welches Meiers Literatur mit Musik verbindet. Ich stiess dann Ende 1998, anlässlich der ersten Liveauftritte, zur Band. Musikalisch werden wir vorwiegend von Bands wie "Misanthrophe", "Relatives Menschsein" oder den klassischen Werken von Philip Glass inspiriert. Kurz gesagt: wir versuchen ziemlich anspruchsvolle Texte mit gefühlvollen, synthetischen Soundtracks zu vertonen.

Wie seid ihr zu eurem Bandnamen gekommen?
MN: Irrlicht ist eine Verschmelzung der beiden Worte Irr & Licht. Im ersten Moment zwei sich widersprechende Sachen wie "Wahnsinn & Weisheit", "Trauer & Unbekümmertheit" oder "Schwarz & Weiß". Kontroversen, welche wir insbesondere bereits mit unserem Debutalbum "Armer Narr, töte Dich dein Gedanke" versucht haben umzusetzen. Diese CD befaßt sich mit der Tarotfigur des Narren, welcher genau diese Widersprüche in sich selber birgt.

Das Hauptaugenmerk der Musik liegt auf den Texten, ist es nicht unheimlich schwer die Aufmerksamkeit des Konsumenten auf diese zu lenken?
MM: Ja, denn die meisten Menschen wollen unterhalten werden. Wir aber liefern keine Betäubung, keine Weltenflucht, sondern fordern den Hörer vielmehr heraus und stellen ihm die Frage: Hast du Zeit für einen stillen Moment, in dem du dich nur deinen eigenen Gedanken hingibst? Bist du bereit, zuzuhören und dich vielleicht in den Worten selbst zu erkennen? Wenn nicht, fürchtest du dich am Ende gar vor dir selbst?

Ihr habt schon auf dem Vorgänger französische Texte gehabt, auf der aktuellen CD ist dieser Ansatz nur in "Une Ivresse" vorhanden. Warum habt ihr dem angekündigten Vorhaben mehr diese Sprache zu benutzen widersprochen?
MM: Leider wurden nicht alle französischen Songs rechtzeitig zur Veröffentlichung der aktuellen CD "Garten der Seraphina" fertig. Und dies soll ein Versprechen sein: Irrlicht versteht sich als zweisprachiges Projekt, wir werden künftig dem Französischen mehr Raum lassen.

Musikalisch sind die Songs von tiefer Hoffnungslosigkeit umgeben, die Texte bestärken den Eindruck. Gibt es noch Hoffnung?
MM: Ja sicher gibt es noch Hoffnung. Hoffnung ist essentiell, die Grundlage des Lebens. Und zuweilen beschwört man die Hoffnungslosigkeit gerade der Hoffnung wegen; wie auch der Tod dazu dienen kann, einem ans Leben zu erinnern.


Du schreibst teilweise in Metaphern. Sollen die Texte Platz zu Interpretationen lassen?
MM: Unbedingt! Metaphern, Symbole und Gedankenformen sind dazu da, daß man sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Jeder Hörer entscheidet selbst, wofür ein Text steht. Wir wollen uns auf keinerlei Zwänge und Strukturen festlegen. Unsere Texte sind lediglich Projektionsflächen, auf die der Hörer seine inneren Bilder überträgt.

"Narziss" beschäftigt sich mit der Eigenliebe. Wie stehst du zum Argument: "Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben"?
MM: Dies ist sicher richtig! Zur Liebe gehört ein Geben und Nehmen. Wer aber lediglich fähig ist, Liebe zu empfangen und keine Weiterzugeben, wird an der Liebe erkranken. Viele Menschen verwechseln Liebe mit Begehren: so resultieren unzählige Krankheiten aus narzisstischem Begehren: Eifersucht, Besitztrieb, übersteigerter Hedonismus... Aber grundsätzlich gilt schon: Ein gesundes Selbstbewusstsein, und in diesem Sinne auch gemässigte Selbstliebe, sind wichtige Bestandteile für eine ehrliche und vertrauensvolle Liebe.

In "Deine Wellt" willst Du "in eine Welt getragen werden", wie sieht diese aus?
MM: Jeder Mensch trägt eine eigene Welt im Innern. Und jede dieser Welten ist auf ihre eigene Art lebenswert. Wenn zwei Menschen zusammentreffen, entsteht etwas magisches: dann berühren sich zwei Welten. Und wer offenen Herzens ist, wird eine Welt zu verschenken haben, damit er eine neue empfangen kann. Lernprozess...

Du hast mit "Ode an den Herbst" eine wunderschöne Hommage an diese Jahreszeit geschrieben. Bist Du froh wenn der Sommer vorbei ist?
MM: Ob ich froh bin, wenn die Hawaihemden wieder im Schrank verschwinden und die aus den Mallorcaferien Zurückgekehrten ihren gebräunten Teint verlieren? Ja, denn dann, im Aufkeimen des Herbstes, wenn die Ballermann-Touristen ihre Räusche ausschlafen, kehrt die Stille zurück. Und mit ihr die Poesie des Augenblicks.

Der Titelsong besitzt einen Text, den man schon als Kurzgeschichte bezeichnen kann, wie schwer ist es einen so kompakten Text musikalisch umzusetzen?
MN: In der Tat war es eine Herausforderung, einen solch langen Text musikalisch umzusetzen. Ich muß gestehen, daß wir auch im ersten Moment sehr gezögert haben, diese Gedankenflut von "Garten der Seraphina" in einen Song einzubetten. Wir fürchteten, diese enormen Bilderlandschaften nicht genügend auf den Zuhörer transportieren zu können. Vielleicht war genau diese Schwierigkeit auch der Anreiz, es dennoch zu versuchen. Dass wir schlußendlich genau diesen Song als Herz & Titelstück des neuen Albums verwendet haben, zeigt, dass wir mit der Umsetzung zufrieden sind.

Euer Cover ist geprägt von der Farbe Lila, hat sie eine bestimmte Bedeutung für euch? Wer ist die Frau auf dem Cover. Lebt sie im Garten der Seraphina?
RK: Lila ist sicher eine Farbe die uns dreien gefällt, sie hat jedoch keine weitere Bedeutung für uns. Wir haben es sicher bewusst vermieden die für die Szene übliche Farbe schwarz im Vordergrund zu verwenden. Wir wollten auch nicht an eine bestimmte Schokoladenmarke erinnern, welche ihre Herkunft auch in der Schweiz hat. Die Frau auf dem Cover ist in unseren Vorstellungen Seraphina selber.

Die Schweiz gilt immer noch als musikalisches Entwicklungsland, gerade was die Dark Wave Szene betrifft. Habt ihr dort Auftrittsmöglichkeiten? Seid ihr in dem kleinem Land bekannt?
MN: Natürlich ist unsere Dark Wave Szene nicht zu vergleichen, mit derjenigen in Deutschland. Deshalb orientieren wir uns auch in erster Linie an unserem Nachbarland. Trotzdem, in der Schweiz ist die Szene seit einigen Monaten in einer Aufbruchstimmung, was uns sehr optimistisch stimmt. Auftrittsmöglichkeiten gibt es in der Schweiz schon, obwohl die Veranstalter noch etwas zögerlich auf kleinere Acts eingestellt sind. Da wir zwischenzeitlich jedoch über eine kleine Fangemeinde im eigenen Land verfügen, haltet sich dieses Problem für uns glücklicherweise in Grenzen.