Extreme Gefühlswelt The Becoming

Die Hannover überzeugen auf ihrem zweiten Demo mit einer explosiven Mischung aus Melancholie und Aggression. Ihr Dark/Doom Metal lebt von der Frische. Wo andere ihre gotischen Elemente mit einem Keyboard erzeugen, schafft es diese Band die depressiven Ergüsse allein mit Handarbeit in die Gehirngänge zu transportieren. Und nicht nur die Musik verbreitet eine düstere Atmosphäre, auch die Texte sind jenseits aller Hoffnung. Mal ist eine direkte Wortwahl zu erkennen, meist läßt man den Hörer jedoch mit tiefer Trauer in Nachdenklichkeit zurück. Bei Verpackung und Inhalt hat man geklotzt, statt gekleckert. Hier kann man schon von einem Gesamtkunstwerk reden. Im Moment ist diese Band auf der Suche nach einem Label, und wenn Taubheit nicht als Epidemie ausbricht, dürfte dieses nicht zum Problem werden. Um einen besseren Eindruck der Musik zu erhalten, lest das Interview mit Bassist Chris. Info: www.the-becoming.de (andreas)


Beschreibt doch kurz euren Werdegang.
Die Band wurde 1996 von Phil (dr.), Nasenmann (bass) und Chris (git.) gegründet. Schnell fand man in Björn (git.) einen fähigen Lead Gitarristen, die Suche nach einem geeigneten Sänger dauerte fast ein Jahr, bis wir zufällig Matthias (voc) trafen. Unter dem Namen THE BECOMING spielten wir erste Gigs und nahmen 1998 fünf Songs in einem kleinen Hannoveraner Studio auf, von denen es vier auf unser erstes Demo schafften. Die Reaktionen seitens der Presse waren sehr gut. Leider musste Nasenmann die Band verlassen, so dass Chris an den Bass wechselte, was ihm seit jeher im Blut lag. In Axel fand man den Wunschkandidat an der zweiten Gitarre. Durch den Erfolg der Konzerte und Pressereaktionen motiviert haben wir anno 2000 die "Obsidian Night" ins Leben gerufen, die seitdem eine feste Institution in Hannover ist und einmal im Jahr Bands, die harte melodische und düstere Musik zelebrieren, eine Plattform vor 400 bis 500 Fans bietet. Im Herbst/Winter 2000/1 sind wir dann in das SMR Studio in Hannover gegangen, um unser zweites Demo "From Cold Hands" aufzunehmen. Hier haben wir sehr viel Geld investiert, denn diese 6-Track-CD soll unseren Namen endlich aus dem heimischen Hannover heraustragen und uns den ersehnten Deal bei einem guten Label verschaffen.

Euer Bandname ist sehr einfach gehalten, was hat er für euch für eine Bedeutung?
Wir haben eine bestimmte Vision von Musik. Ein perfekter Song ist für uns heavy, melodisch, düster und sehr atmosphärisch, kommt dabei aber ohne Keyboards und sonstige Klischees aus. Solche Musik existiert unserer Meinung nach noch nicht, ist aber unser Ziel. Der Name THE BECOMING steht für den Weg dorthin.

Eure Musik bewegt sich zwischen Power und tiefer Melancholie, wie schafft ihr es die scheinbaren Gegensätze zu vereinen?
Die Melancholie wird bei uns zum einen von Matthias Vocals, zum anderen von den zweistimmigen Gitarren erzeugt, die sich inspiriert durch die Klassik durch die verschiedensten Molltonarten tummeln und dem Hörer von Trauer, Verzweiflung und Resignation berichten. Ein Bass, der sich immer wieder auf die tiefe H-Saite verirrt, tut das übrige. Als Grundlage für diese Melodiekaskaden dienen traditionelle Metal Riffs und ein filigranes, aber dennoch Death Metal inspiriertes Powerdrumming. So entsteht der Stil von THE BECOMING.

Wie wichtig sind die Texte im Vergleich zur Musik?
Für die Lyrics nehmen wir uns sehr viel Zeit, sie sollen die Musik ergänzen. Die Musik steht aber immer an erster Stelle. Wenn ein Song fertig ist, suchen wir einen Text dafür aus, der von der Stimmung her zum Song passt. Wir haben immer einige Lyrics vorrätig, die unabhängig von der Mucke entstehen. Sie werden dann so modifiziert, dass sie sich in die Schemata einfügen, die die Musik vorgibt.

Wer ist für das Songwriting verantwortlich, seit ihr euch immer einig?
Die frühen Songs stammen instrumental von unserem Lead Gitarristen. Damals haben wir möglichst schnell Songs gebraucht, um auftreten zu können. Björn hat dann die Riffs und Gitarrenmelodien komponiert und erste Ideen für Drums und Bass entwickelt. Im Proberaum hat dann jeder seinen Senf dazu gegeben und so entstand der Song. Schliesslich komponierte Chris dann die Gesangslinien, die Matthias seinem eigenen Stil anpasste. Inzwischen entstehen die Songs in Gemeinschaftsarbeit im Probraum. Jemand hat eine Idee, an der wir dann gemeinsam arbeiten. Wenn der Song instrumental steht, schreiben Chris und Matthias den Gesang dafür. Diese Prozedur dauert zwar etwas länger, die Songs sind so aber viel interessanter. Die Grundideen kommen natürlich immer noch aus dem Gitarrenlager, schliesslich sind wir eine Metal Band.

Teilweise lassen die Texte viel Platz für Interpretationen, könntest Du ein paar erklären?

Es ist schon beabsichtigt, dass die Texte viel Spielraum für den Hörer lasssen. Neulich fragte uns allerdings ein Journalist, warum wir denn über Kindermörder und Monster schreiben. Da das doch etwas zu weit geht, geben wir gern ein paar Kommentare zu den Lyrics: Im wesentlichen geht es um negative Emotionen verschiedenster Art. "One Black Day" beschreibt den Hass, den ein Mensch empfinden kann, bis dieser Hass herausbricht. "Halls Of Bitter Sin" erzählt von Verzweiflung und Resignation. "From Cold Hands" berichtet von der Hilflosigkeit, die man gegenüber einer gnadenlosen höheren Macht empfindet und die irgenwann in Wut umschlägt. "A Child Born Knowing" würde ich als den einzigen Fiction Text bezeichnen. Hier geht es um ein Kind, das mit dem Bewusstsein eines Erwachsenen geboren wird und somit unglaubliche Macht besitzt. Es hat die Fähigkeit zu töten, zu heilen oder sogar die ganze Welt zu verändern, doch niemand weiss ob zum Guten oder Bösen. "Corridors Of Perception" beschreibt die letzten Gedanken eines Sterbenden, der alles Leid und Glück in seiner Zeit auf Erden erlebt hat und merkt, dass es ihm am Ende überhaupt nichts gebracht hat. Er kommt doch nur in die Kiste. Darüber ist er sehr wütend, doch er hofft auch, dass es irgendwo noch einen Sinn im Ganzen zu entdecken gibt. "Obsidian Eye" beschreibt schliesslich die Gefühle zu einer Frau, die die Liebe in Dir tötet, die Du für sie empfunden hast. Es geht wieder um Hass, und somit schliesst sich der Kreis.

Markant ist die Stimme, ist das tiefe Organ von der Natur gegeben?
In der Tat ist der Mann ein Naturtalent, seine Stimme ist einfach so tief wie man sie auf der CD hört. Das allein macht jedoch noch keinen guten Sänger. So arbeitet Matthias wie auch jeder andere der Band an seinem eigenen "Instrument", womit natürlich seine Stimme gemeint ist und nicht das, was sich so manch einer gerade vorstellt.

Teilweise kommt es in der Musik/Gesang zu aggressiven Ausbrüchen, wie schafft man es im Studio dieses Gefühl aufzubauen?
Eigentlich handeln alle unsere Songs von Themen, die uns persönlich berühren. Es ist bei unserer Musik sehr wichtig, dass jeder Musiker einen Bezug zu der Stimmung hat, die der Song vermitteln soll. Wenn Du in der Musik versinken kannst, dann bist Du schon seht nah an dem, was Dir vorher als Idee durch den Kopf gespukt ist. Natürlich ist es auch nicht verkehrt, wenn man zur richtigen Zeit eine nette Idee hat, wie man das Ganze durch Effekte unterstützen kann, wie zum Beispiel in der Bridge von "One Black Day" oder der Schrei bei "Halls".

Die Songs "Corridors of Perception" oder das Schlußstück klingen unterschwellig nach Gothic, ist es beabsichtigt dieses durch die harten Riffs zu widerlegen?
Die meisten von uns hören gern mal ein wenig Gothic, und diese Musik ist sicherlich ein Einfluss für THE BECOMING. Wir unterscheiden uns allerdings von den Bands aus diesem Bereich, da wir auch Metaller sind und uns gern von Black Sabbath, Sentenced und so weiter inspirieren lassen. Düstere Melancholie mit Metal Attitüde eben, aber bitte ohne Grunzer und Frauengesäusel.

Ihr habt viel in das Layout investiert, wie wichtig ist euch die Verpackung?
Das Layout ist uns sehr wichtig. Es ist ein Konzept, an dem Phil und unser Fotomann Morti sehr lange und intensiv gearbeitet haben. Das Ganze stellt eine Bibel dar, die von allen Seiten abfotografiert wurde. Wie der Titel dazu passt, soll jeder selbst heausfinden. Für uns gehört auf jeden Fall alles zusammen: Musik, Text und Layout. Jeder Song hat ein Foto, das die Grundstimmung der Musik auch visuell vermittelt.

Kommentiert bitte folgende Aussage: Black Sabbath würden heute die gleiche Musik machen wie wir, wenn sie eine Zeitlang Type'O' gehört hätten?
Wow, auf jeden Fall würde ich hinzufügen, dass sie noch um einiges Göttlicher gewesen wären, als wir das bisher sind. Hier werden zwei Haupteinflüsse für uns genannt, aber um Black Sabbath auf The Becoming umzupolen, bedarf es sicher noch ein paar Prisen Sentenced, Anathema und einen ganz kleinen Schuss Black Metal, der sich in unserem Riffing an ein oder zwei Stellen zeigt.

Ist der Vergleich mit Black Sabbath, der in vielen Reviews auftaucht eher Huldigung oder Belastung?
Bestimmt keine Belastung. Black Sabbath ist eine geniale Band, die unsere Musik stark inspiriert, aber wir machen auf keinen Fall Musik, um ihr Erbe anzutreten. Dafür mögen wir aktuelle Musik viel zu sehr. Wir glauben nicht, dass wir im Schatten von Black Sabbath stehen und haben somit auch nicht die Belastung, aus diesem Schatten heraus zu treten. Der Vergleich ehrt uns aber sehr, denn ich denke, es gibt schlechtere Referenzen.

Gibt es in der Expo Stadt Hannover genug Möglichkeiten euer Lebensgefühl auszuleben?
Zur Zeit ist es eigentlich ganz nett hier. Es gibt einige Bands, die sich gegenseitig unterstützen und oft Gigs organisieren, einige DJs veranstalten regelmäßig Events und mit Metal Glory ist hier ein engagierter und basisnaher Vertrieb vor der Haustür. Es ist also immer etwas los im Labor, Base und neuerdings im Nashville. Wir selbst haben die Tür ins Faust etwas aufgstoßen und mit Living Concerts hat auch eine Konzertagentur ein Herz für extreme Musik. Die Schwarzvolkszene ist ja sowieso traditionell stark vertreten in Hannover, so dass es derzeit schlechtere Plätze auf Erden gibt. Die Erfahrung zeigt, dass es immer auf und ab geht mit der Szene, und so kann man praktisch schon darauf warten, bis es wieder etwas ruhiger wird. Bis dahin können wir aber fast jedes Wochenende um die Häuser ziehen und langhaariges und / oder schwarzes Volk treffen.

Wie würdet ihr einem Außerirdischen eure Musik beschreiben?
"Stell Dir eine Party bei Vollmond an der alten Grabesstätte Deiner Vorfahren vor, bei der statt Räucherstäbchen Fackeln brennen und wo statt warmen Rotwein kühles Bier in Strömen fliesst. Welche Musik soll da laufen? Eben, THE BECOMING!"