Positive Melancholie Illuminate

Mit "ein neuer Tag" bringen die Melancholiker bereits ihr fünftes Album unter die Leute. Es ist ein Werk mit bestechenden Melodien, schönen Gesang und interessanten Texte. Diese sind im Vergleich zu den Vorgängern diesmal wesentlich positiver ausgefallen. Außerdem schafften sie mit dem Titelsong einen wahren Tanzflächenfüller. Im Oktober geht die Band erneut auf Tour. Dabei werden neben den Ohren auch die Augen zu ihrem Recht kommen. Denn Illuminate sind für ihre optischen Reize bekannt. Eine Tänzerin wird nur ein Bestandteil der Show sein, laßt euch also überraschen. Anläßlich des neuen Albums und der Zusammenarbeit mit Bruno Kramm beantwortete Mastermind Johannes Berthold meine Fragen. (andreas)

Wie ist das Gefühl, nachdem alles fertig ist, auf den Veröffentlichungstermin zu warten und auf die Reaktionen der Fans und der Presse?
Ätzend, es ist ein unangenehmer Moment. Man hat sein ganzes Herzblut in diese Produktion gesteckt. Man setzt sich jetzt der öffentlichen Kritik aus. Man hat aber eine ganz andere Bindung zu dem Teil als Käufer und Presse. Wir haben dieses Album nicht für eine bestimmte Käuferschicht gemacht, sondern wollten uns auch in andere Richtungen öffnen. Wir haben uns diesmal mit Bruno Kramm einen bekannten Produzenten genommen, der vielleicht auch für einige als Zugpferd gilt. Trotzdem besteht immer die Angst, daß die Resonanz rückläufig ist oder die Leute es als Quatsch ansehen.

Wenn du schon Bruno Kramm erwähnst, wie kam es zur Zusammenarbeit?
Willst du die romantische oder die reale Antwort.

Erstmal die reale
Total unspektakulär. Wir hatten die Stücke fertig. Mit dem letzen Album hatten wir über 10000 Einheiten verkauft. Wenn man bedenkt, daß die "schwarze Szene" aus ca. 20000 Leute besteht, haben die Hälfte dieser Leute unser letztes Album gekauft, da ist kaum mehr rauszuholen, also haben wir versucht, uns dem sogenannten Mainstream Publikum zu öffnen, ohne unsere Musik grundlegend zu ändern. Darum entschlossen wir uns zu einen Sidestep innerhalb der Szene. Dadurch sind wir auf Bruno Kramm gekommen, der ja mit vielen verschiedenen Bands zusammenarbeitet. Ich habe daraufhin einfach bei Bruno angerufen und eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, ob er sich vorstellen könnte unser Album aufzunehmen. Er hat gleich zurückgerufen und erwähnt, daß er uns schon kenne und sehr interessiert an einer Zusammenarbeit wäre. Ich habe mich natürlich wahnsinnig gefreut. Er war für uns sehr dienlich im Bereich Sound und Produktion.

Wie kann man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?
Wir haben viel über die Stücke diskutiert. Er sagte uns, das könnt ihr so nicht machen. Das klingt nicht gut, nimm bei dem Stück ein bißchen Fake raus. Das klingt aber ein bißchen zu kitschig, all solche Sachen. Ich hab in der Zeit auch bei Bruno auf dem Schloß gelebt, und so kam eine richtig gute Zusammenarbeit dabei heraus. Es entstand förmlich eine Verschmelzung seiner Phantasie und unserer Intention. Dadurch, daß Bruno in einem anderen Bereich arbeitet und mehr der Elektroszene angehört, gab es einen regen Austausch und so eine Selbstbefruchtung der Szene.

Kommen wir nun zu eurem neuen Album. Ein neuer Tag enthält die Textzeile: "Lies zwischen meinen Zeilen". Was steht für dich zwischen den Zeilen?
Mit Texten ist es immer ein bißchen schwierig. Es sollte jeder für sich sein Ding daraus ziehen. Ich versuche immer, die Texte so zu gestalten, daß der Hörer sich seine eigenen Gedanken machen kann. Das zwischen den Zeilen lesen ist für viele zu kompliziert geworden. Sie wollen eine klare Aussage. Dieses zwischen den Zeilen lesen ist auch in meinem Bekanntenkreis abhanden gekommen. Für mich hat es die Bedeutung, daß im Leben immer etwas neues passiert. Es hat zum Beispiel einige Veränderungen in unserer Band gegeben. Über diese bin ich im Nachhinein glücklich. Ich kann immer noch zwischen den Zeilen lesen, und damit wesentlich mehr über Dinge erfahren, als wenn ich eine Aussage einfach so stehen lasse. So sollten unsere Texte auch verstanden werden. Wir lassen immer Platz für die eigenen Gedanken, es ist wesentlich interessanter zu hören, was Leute daraus ziehen, als wenn sie sagen, toller Text.

Leuchtfeuer entpuppt sich als wunderschönes Liebeslied, ist damit eine bestimmte Person gemeint?
Damit ist meine Frau gemeint. Ich habe den Text nach unserer ersten Nacht geschrieben. Es beschreibt die Gefühle, die ich direkt danach hatte, und die habe ich dann zu Papier gebracht. Es ist ein Weg von der unglücklichen Liebe und ein Hin zu augenzwinkender Melancholie. Ein Nachdenken über gewisse Sachen.

In die gleich Kerbe schlägt "Abgeschminkt", es beschreibt für mich perfekt die Gefühle, welche man beim Abschied hat. Äußerlich will man den Schmerz nicht zeigen, aber innerlich sieht es anders aus, selbst erlebt?
Es ist sehr klischeehaft. Kannst Du die Texte immer simultan leben? Dieses kann ich natürlich nicht. Es geht in diesem Song um Fassaden und Masken, die wir uns selber aufsetzen, um eine traurige Situation zu überspielen. Es geht um die Resignation einer zu Ende gegangenen Liebe und die traurige Selbsterkenntnis. Es ist einer der wenigen wirklich traurigen Songs auf unserer CD. Wir haben versucht, diesmal positiver zu klingen. Es paßt daher nicht ganz in unser Gesamtkonzept. Es ist halt ein Beispiel, wie wir unserer Trauer begegnen. Schade ist dabei, daß wir versuchen unsere Gefühle teilweise hinter Masken zu verstecken. Dieser Song ist die Beschreibung dieser Art, und gleichzeitig ein Aufruf, zu seinen Gefühlen zu stehen. Manchmal ist es schwer für uns, diese Gefühlswelt Live rüberzubringen, besonders wenn man wie Beim Mera Luna in der prallen Sonne spielt.


Wenn ihr dieses Festival schon erwähnt, habt ihr ein Abo darauf, immerhin seit ihr zum dritten Mal dort aufgetreten.
Es gibt bestimmt Bands, welche häufiger dort aufgetreten sind. Easy Etler fand uns toll, und er wollte uns noch mal verpflichten. Als er dann gestorben war, fand man ein Brief von ihm, welche Bands er sich noch mal auf dem Zillo wünscht, wir waren eine davon. Und so kam es zu unseren zweiten Auftritt. Das wir dieses Jahr erneut eingeladen wurden, liegt auch daran, das wir sehr umgängliche Menschen sind. Wir randalieren nicht und machen nichts kaputt. Dazu bieten wir ein tolles Programm mit Tänzern und so. Das Zillo oder jetzt Mera Luna war immer eine Plattform auf der wir uns perfekt präsentieren konnten. Es ist so, daß wir immer gerne auf diesem Festival spielen.

Ihr seit immer eine Position raufgerutscht, sieht man demnächst Illuminate als Top Act?
Das glaube ich nicht. Es ist unwahrscheinlich als Band, welche ausnahmslos in Deutsch singt, so bekannt zu werden, um als Top Act zu spielen. Ich würde es natürlich gern mal machen, allein weil man mehr Möglichkeiten hat. Außerdem hat man wesentlich mehr Zeit, sein Programm aufzubauen. Aber das wird auch in nächster Zeit eher Projekt Pitchfork oder Sisters belassen sein.

Glaubt ihr, daß ihr mehr Chancen hättet, wenn ihr in Englisch singen würdet?
Um vielleicht ganz groß zu werden, wäre es die einzige Chance. Es gehört aber zu unserer Musik, daß wir Deutsch singen. Es ist natürlich auch schwieriger, weil die Leute halt alles verstehen. Wenn man sich mal die Mühe macht und die englischen Texte übersetzt kommt auch in unserer Szene viel Blödsinn dabei heraus. Da ist man manchmal textlich nicht weit entfernt von der Volksmusik.

Mal was anderes, bist Du ein politisch denkender Mensch?
Ich bin jemand, der Politik von Kunst trennt. Das heißt, das Illuminate als Band bekennend unpolitisch ist. In der Kunst möchte ich keine politischen Aussagen haben. Ich persönlich bin natürlich politisch interessiert. Wenn es um die Szene geht bin ich allerdings immer vorsichtig. Da gibt's doch einige, die recht zweifelhafte Meinungen vertreten. Wenn man z.B. bedenkt was da in Leipzig abgelaufen ist. Ich selber halte nichts von diesem Gerede über rechts und links. Beide haben Argument, die gut oder schlecht sind.

Wie bitte?
Versteh mich jetzt bloss nicht falsch. Ich meine hier die demokratischen Parteien, und die CDU ist für mich dann halt rechts. Ich sehe mich in dem Zusammenhang eher als politisch in der Mitte stehend. Parteien wie DVU oder NPD sind gefährlich, aber wirklich schlimm sind die Leute, die ihre rechten Gedanken irgendwo im Underground verbreiten und ansonsten ganz normale, meist höhergestellte Leute sind. Ich habe mich z.B. lange mit Satanismus beschäftigt. Diejenigen, die offiziell auftreten, das ist Kinderpippi. Die anderen das sind Bankangestellte und ich weiß nicht was. Die sind wirklich extrem und gefährlich. Da laufen dann auch Dinge ab, die bis zum Mord reichen.

Was hältst du von der Veröffentlichungsflut im "schwarzen Bereich?
Tja, was halte ich davon. Einmal so, einmal so. Es macht den Markt unübersichtlich. Durch diese Flut werden die Betriebe sehr kritisch. Es ist daher sehr schwierig eine Newcomer Band zu verpflichten. Weil sie anhand der vielen Produktionen kaum die Möglichkeit haben genug Einheiten zu verkaufen.

Findest du es gerechtfertigt, für eine CD 30 DM zu verlangen?
Ich finde es nicht gerechtfertigt. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht genau, wo das Geld bleibt. Ich weiß ja, was für uns als Musiker übrig bleibt, und das viele Leute daran noch verdienen müssen, und auch die Mehrwertsteuer noch abgeht, das rechtfertigt trotzdem nicht diesen Preis. Ich war z.B letzte Woche bei WOM. Da kostete eine Illuminate CD 37.90. Wer soll die kaufen, ich würde sie für den Preis nicht kaufen. Ein anderes Problem ist dadurch die ganze Brennerei, weil viele Leute sich die horenden Preise nicht leisten können.

Habt ihr deswegen soviel in euer Cover Artwork gesteckt. Es mit schönen Bildern und allen Texten versehen?
100 Punkte. Genau richtig erkannt. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, was wir gegen das Brennen unternehmen können. Ein Kopierschutz kam nicht in Frage, weil bei einigen CD Spielern die Dinger nicht laufen. Also entschlossen wir uns ein besonderes Booklet zu machen. Mit Fotos die nicht einfach zu kopieren sind und Hochglanzpapier. Da wir sehr viel Wert auf Optik legen, was man auch an unserer Show und Performance sieht, haben wir halt optisch soviel dazu gepackt, das sich die Leute das Brennen überlegen und sich halt das Original zu legen.

Eine Frage noch zu Deinem Klavierspiel, wie lange spielst du schon?
Bereits seit 20 Jahren. Als sechsjähriger wurde ich von meinen Eltern auf die Musikschule geschickt. Damals hätte ich sie in den Arsch treten können, heute könnte ich sie dafür küssen. Ich habe dann auch Musik auf Lehramt studiert und gebe heute noch Unterricht.

Danke für das Interview und die anstehende Tour. Weitere Infos unter www.illuminate.de