Innovationen des Undergrounds PHILLIP BOA im Interview

Irgendwann mitte der 80'er hörte ich im Radio (!) den Song "Empires burning", sogleich war ich gefesselt von der Eigenständigkeit der Musik. Platten wie Philister oder Aristocracie gehören noch heute zu den Höhepunkten deutscher Pop-Kultur. Phillip Boa hat es immer verstanden neben dem Schreiben toller Songs, sich mit allen möglichen Leuten anzulegen. So hat ihm kaum einer seinen Wechsel zu einem Major verziehen. Boa war der Inbegriff von Independent und sollte es auch bleiben. Das er das meiste Geld wieder in sein eigenes Label steckte, sahen nur wenige. Nach dem Ausstieg von Pia hat er eine tolle Solo Platte eingespielt, welche nur wenig Interesse weckte. Mit seiner neusten CD, wieder mit weiblicher Komponente, erscheint er so frisch und innovativ wie früher. Dass er in Leipzig beim WGT nicht auftrat, nahmen ihn erneut einige übel. Aber Boa ist ein Besessener, der für seine Musik lebt und immer wieder gegen Mißstände in diesem Buisness ankämpfte. Aber trotzdem wollte Boa spielen, lest selbst was er zu den Vorfällen und sonstigen Dingen zu sagen hat.

Erzähl uns doch kurz Deine Eindrücke vom WGT.
Boa: wavegothic: die ganze stadt leipzig voller schwarzer gestalten... das war fabelhaft...vorab schon grosse unsicherheiten...unsere crew baute auf...langes, ungeduldiges warten...gewissheit, dass keine gage bezahlt wird...entscheidung trotzdem: wir spielen...dann erreichte mich die nachricht, dass das konzert von der bühne herab abgesagt worden ist...nachfragen und grösste enttäuschung...

Was hältst Du von den Beschimpfungen gegen Dich weil Du nicht gespielt hast?
Boa: es tat sehr weh, dieses konzert nicht zu spielen...ich fühle mich komplett ad absurdum geführt...meine prioritäten galten immer erst der korrekten haltung und der musik und erst dann dem finanziellen erfolg- ich glaube, das lässt sich anhand meiner "karriere" gut nachprüfen...

Warum bist Du auf Deiner alten Internet Adresse nicht mehr erreichbar?
Boa: meine ehemalige haupt-internet-adresse "phillipboa.de" hat sich von diesem planeten gelöst und die macher sind unauffindbar... meine haupt-websites sind also umsomehr "voodoo.musicpage.de" und "boamania.de" sowie mehrere andere...

Du wolltest ein Cover spielen, welches?
Boa: wir hatten speziell für das wave and gothic eine coverversion eines leonard cohen-songs einstudiert...das spielen wir wohl in bälde...

Ist die gesamte Szene zum Kommerz verurteilt?
Boa: nein...die indie/alternative/electro/wave/gothic etc.-szene ist nicht zum kommerz verurteilt...das wave and gothic war das kumulierte chaos und unglück...viele leute hatten trotzdem eine gute zeit... diese szene, aufgrund ihres meist mimitierten erfolgs, ist ehrlich und wird getrieben durch den willen, anders zu sein und anders zu klingen... die haltung ist im grunde eine nihilistische, einzigartige gemeinschaft von individuen, die in der gesamtheit die liebe zur musik und zur negierenden lebensphilosophie verbindet...das gilt in der regel zumindestens für die fans, zum grossen teil auch für die künstler... diese musik definiert ihren sinn in der geistigen anzweiflung des täglichen seins und daran koennen kommerzielle nebenerscheinungen nichts ändern...

Du hast lange Zeit mit Deinem Constrictor Label kleinere Bands unterstützt, hast Du noch Kontakt zu denen und was ist aus ihnen geworden (Palookas, Membranes usw.)?
Boa: ein label wie constrictor passt nicht in die heutige zeit...die medien sind heute korrupt und von der industrie/werbung/einschaltquote diktiert

Glaubst Du, das heutzutage so ein Label existieren könnte?
Boa: nein-eventuell eröffnen sich durch das internet bald neue independent-strukturen.

Im Juni 98 war Dein Konzert in Bielefeld extrem schlecht besucht, hast Du in dieser Zeit mal ans Aufhören gedacht?
Boa: schlecht besuchte konzerte wie bielefeld 1998 gibt es immer-das war allerdings mitten im sommer und wärend der fussball-wm etc....trotzdem...werden solche konzerte zur regel, würde mich das zum aufhören zwingen, weil meine arbeit eine gewisse hörerschaft braucht, um eine bedeutung zu erhalten...

Dein Song "Kill your Ideals" ist Heute aktueller denn je, und wird immer mehr mit Aggressivität deinerseits versehen, fühlst Du Dich in Deiner damaligen Meinung bestätigt?
Boa: kill your ideals...war die eben angesprochene hymne, die das anzweifeln, das verneinen, das anderssein, das in frage stellen der existenz audrücken sollte...die strophen waren eigentlich banal und absichtlich untergeordnet...der refrain war das essentielle: töte zunächst das, was du konditioniert hast etc. ...selbstverständlich ist dieser song auch in der heutigen, noch oberflächlicheren zeit gerade wichtig...

Du gilst als schwieriger Mensch, ist es Image oder Abneigung gegen die Musikindustrie?
Boa: ich weiss selbst nicht, wer und was ich bin...die fidung dessen ist der antrieb sowie die findung des ganzen...

Wie hast Du Deine neue Sängerin kennengelernt?
Boa:?

Ein Wort, welches früher auch durch Dein Zutun geprägt wurde war Independent, gibt es das noch?
Boa: independent gab es und wird es immer geben...es sind die künstler, autoren, menschen, die das system benutzen in ihrem sinne...es darf nicht umgekehrt sein.

Hast Du noch Kontakte zu Pia, und was haltet Ihr von Eurer gegenseitigen Musik?
Boa:?

Wo möchtest Du Deinen Lebensabend verbringen, auf Malta oder in Deutschland?
Boa: nicht in malta, nicht im ruhrgebiet...ich liebe zwar diese orte, nur darf das nicht das ziel sein...

Auf was für Überraschungen können wir uns vorbereiten?
Boa: viele

Dein Lebensmotto?
Boa: suche dir mein lebensmotto aus der beantwortung einiger deiner fragen dieses interviews.


Vielen Dank für Deine Mühe, und vielleicht bis bald in Münster. (andreas)