31. WACKEN OPEN AIR :: Publikumsmagnet Iron Maiden
Wacken vom 31.07.-02.08.2008
Fotos by Wacken-Presse & 
Ralph Larmann


Donnerstag:
Nach 2004 war es diesmal das erste Mal seit langem, dass wir kein einziges Auto am Mittwochnachmittag bei der Anreise vor uns hatten. Nach dem Regendesaster im letzten Jahr hatten die Veranstalter im Vorfeld ein verbessertes Verkehrskonzept versprochen. Ich weiß zwar nicht, was genau geändert bzw. verbessert wurde, aber der Plan ist wohl aufgegangen. Oder wir haben wie 2004, als die Onkels schon spielten, einfach nur einen guten Zeitpunkt für die Ankunft erwischt. Wie dem auch sei, es war wohl das erste Mal das ich zum "Doors Open" in Wacken war.

Das GIRLSCHOOL Foto, welches sich die Wackenzeitungsredaktion für das Programmheft ausgesucht hat, hätte genau so gut aus einem Highschooljahrbuch stammen können. Pubertäre Michfressen in Frauenform erinnerten mich mehr an amerikanische Imbissbudenangestellte aus einem drittklassigen Horrorfilm, als an eine Rockband. Leider habe ich die GIRLSCHOOL Platte von meinem Nachbarn (noch) nicht in meine heiligen Rockhallen mitgenommen, so dass wir auf die Eröffnungsband verzichteten und erstmal so das Gelände enterten. Danach war es mir eigentlich egal, was ich mir als Nächstes anschaute. LAUREN HARISS, die Tochter von Steve Harris, dem Iron Maiden Gitarristen, interessierte mich ehrlich gesagt nicht, und so ließ ich mich von meinem Kollegen mit zu den NASHVILLE PUSSYS schleifen. Ich, als einer der dem Glamrock eher skeptisch gegenübersteht, war nicht so zuversichtlich, einen guten Rock n Roll Gig zu sehen. Meine Meinung änderte sich aber rasch, als ich vernahm, dass zwei Frauen in der Band spielen. Als die besagten Schönheiten auf der Bühne erschienen, wäre mir fast der Saft aus der Hose gelaufen. Lackhotpants und Netzstrümpfe sowie hautenge Jeans und Oberteile bekommt Mann nun mal nicht jeden Tag zusehen, oder zumindest nicht auf dem Wacken Open Air bei fast 30° Grad im Schatten und knallendem Sonnenschein. Wenn Angus Young eine Tochter hätte, dann wäre es sicherlich Ruyter Suys, die Leadgitarristin der Band, die ihre Gibson SG mit so viel Leidenschaft bearbeitete, dass man sich wünschte, ein Teil dieser Gitarre zu sein. Nicht zu vergessen der halbglatzige Sänger, der mit der Band musikalisch zwischen AC/DC, Rose Tattoo und Guns n' Roses eine doch coole Show ablieferte. Und so war nur der Schweiß das einzige, das an diesem Tag aus der Hose lief.

Von NEGURA BUNGET, den Pagan Metallern aus Rumänien, hatte ich mir ehrlich gesagt mehr erhofft. Ich finde, Pagan Metal sollte man schon musikalisch raushören und nicht nur durch Symbolik erkennen. Ein paar verspielte Soli oder halbhymnenhafte Songs reichen für mich da nicht aus. Dann war es endlich soweit: IRON MAIDEN, die Metal Legende schlechthin, spielten beim zweiten Teil ihrer "Klassiker Tour (Powerslave - Fear Of The Dark)" ihr einziges Konzert in Deutschland, und dazu auch zum ersten Mal in Wacken. Die Vorfreude war natürlich groß, da Maiden bei ihrer letzten Tour das komplette neue Album und wenige andere Songs gespielt haben. Und wann hat man schon mal die Gelegenheit, "The Rime Of The Ancient Mariner" oder "The Clairvoyant" vor einer Kulisse von 70.000 Headbangern zu erleben? Maiden waren ein würdiger Wacken Headliner und spielten ein routiniertes und, was den Herren in ihrem Alter hoch anzurechnen ist, sehr powervolles und mitreißendes Set. Die Bühnenshow war an die Powerslave Tour von 1985 angelehnt, und es wurde eine riesige Show geboten, zu der die Pyroeffekte genauso gehörten wie der Auftritt eines überdimensionalen Eddies. Besonders hervorzuheben ist für mich Sänger Bruce Dickinson, der stimmlich kaum zu altern scheint, und durch seine humorvollen Ansagen, in denen er z.B. den Schlagzeuger Nicko McBrain als den schlechtesten Jazzdummer der Welt vorstellt, glänzt.

Setlist IRON MAIDEN:
Aces High
2 Minutes To Midnight
Revelations
The Trooper
Wasted Years
The Number Of The Beast
Can I Play With Madness
Rime Of The Ancient Mariner
Powerslave
Heaven Can Wait
Run To The Hills
Fear Of The Dark
Iron Maiden
Moonchild
The Clairvoyant
Hallowed Be Thy Name



Freitag:

Dass die Zeiten der einzelnen Slots (Spielzeiten der Bands) im Vorfeld für allgemeines Raunen gesorgt haben, ist hoffentlich bis zu den Veranstaltern vorgedrungen. Wenn im nächsten Jahr wieder so eine Scheiße ablaufen soll, ist es für mich dann nach 10 Jahren echt das letzte Mal W:O:A. PRIMORDIAL um 11 Uhr morgens, wem haben sie da ins Gehirn gesch...en? Und so eine Schei... wie KILLSWITCH ENGAGE, AS I LAY DYING oder GIRUGAMESH, was immer das sein soll, bekommen die besten Zeiten um 17, 19 oder 21 Uhr. Das kann es echt nicht sein. Nicht nach 10 Jahren Wacken Support. Nachdem wir bei PRIMORDIAL fast wieder eingeschlafen waren, glaube nach dem 6. gesehen Auftritt wird es echt langweilig, haben wir uns von GRAVE wieder wachknüppeln lassen. Geiler schwedischer Old School Death Metal ist am frühen Mittag doch besser als Irischer Pagan Metal, obwohl ich es im Vorfeld andersrum erwarte hatte. "Souless" und "Hating Life" gingen ab wie Schmidts Katze, und die Erinnerung an die Jugend wurde wieder wach. Und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Von einer Reunion wurde im Vorfeld weniger gesprochen, doch war es eine kleine Sensation, die "Frickel Death Pioniere" von CYNIC live zu sehen. Die Band hatte eine schwierige Aufgabe, denn die mit Breaks und Rhythmuswechseln voll gepackte Musik ist nicht gerade jedermanns Sache. Trotzdem schaffte es die Band die Leute zu begeistern, und machte mit ihrer Ankündigung ein neues Album zu veröffentlichen, den einen oder anderen Metaller mit Hang zum Progressiven sehr glücklich.

Der Nachmittag schleppte sich so dahin. Die meisten Bands habe ich schon zum x-ten Mal gesehen, oder sie interessierten mich nicht. SONATA ARCTICA, die finnischen Gitarrenfrickler, hätte man gut aus dem Biergarten genießen können, wäre da nicht die ganze Zeit MAMBO KURT mit seiner Heimorgel von dieser komischen J*M B**M Stage zu hören gewesen. Beim ersten Mal war es ja noch lustig, aber nach einiger Zeit nervt es einfach nur noch, zumal die Bühne auf dem Weg zu den Zeltplätzen einfach nur Platz wegnimmt und die angenehme Biergartenatmosphäre stört. Genauso unverständlich fand ich dieses Jahr die zum ersten Mal errichtete ACTIVITY AREA. Die schöne Baumschule, in der man einst so gut pinkeln gehen konnte, und welche wohl der einzige ruhige Ort auf dem Gelände war, haben sie einfach abgeholzt. Wer fährt auf ein Festival, um Fußball zu spielen oder BULL RIDING zu machen? Genauso überflüssig wie das INTERNETZELT und das FOTOSHOOTINGZELT. Die ganze ACTIVITY AREA war auch nur sehr spärlich besucht muss ich sagen. Den Platz hätte man echt besser nutzen können, für was auch immer, und nicht ein Dixi vorhanden gewesen, arme Mädels. Vielleicht sollte man den Veranstaltern mal die Idee einer CHILL OUT AREA vorschlagen, in der man sich ein bisschen erholen kann. Die würde bestimmt mehr Zuspruch finden.

Metal meets a Capella? VAN CANTO? Da denkt man, mit seinen 30 Lenzen schon alles gehört zu haben, und dann lese ich von einer Band, die Metal machen soll, als Instrument nur ein Schlagzeug benutzt und Stücke von Metallica spielt. Bei so etwas bin ich sofort dabei und zieh mir immer wieder gerne neue Innovationen in Sachen Musik rein. Und tatsächlich standen auf der Bühne 3 Männer und zwei Frauen + Schlagzeuger ohne Gitarren und Bass. Von draußen hörte es sich an, als würde im Zelt eine Metalband spielen. Jemand, der das Programmheft nicht gelesen hat, hätte sich gedacht, dort sei eine PA ausgefallen. Doch im Zelt vernahm man einen fast druckvollen Sound aus den Boxen. Gitarren und Bass ersetzt durch Stimmen- bzw. Mundgeräusche. Ein faszinierender Moment für Augen und Ohren. Wirklich klasse, kann man nicht anderes beschreiben. Wen das interessiert, der sollte mal recherchieren. Die zweite Verwunderung folgte auf dem Fuße. Die Männer und Frauen von CORVUS CORAX boten meisterliche Klänge, wirkten fast wie eine verschwörerische Sekte, die zu ihren Jüngern singt, bestehen aber einfach nur aus völlig musikbegeisterte Menschen, die ihr Können absolut nutzen, um ihre Mitmenschen in eine andere Welt mitzureißen. Sie präsentierten Carl Orffs CANTUS BURANUS. Wirklich klassisch und für mich die absolute Spitze der menschlich erschaffenen Musik.

Ach ja, dann waren da noch GORGOROTH, seit dem Wacken auch gerne Gaygoroth genannt. Okay lassen wir das Privatleben der Band aus dem Spiel. Heftig heftig war das, was GORGOROTH auf dem Wacken als Show abgeliert haben. Ich glaube, so krass war keine MAYHEM Show, die ich je gesehen habe. Riesen Kreuze und Tierkadaver lagen auf der Bühne rum, ein Anblick der schon ohne die Musik einem Schauer glich. Musikalisch jedoch rissen GORGOROTH mich nicht vom Hocker, obwohl die Musik sogar besser als auf mancher CD rüber kam. Doch in Verbindung mit der Bühneshow schon derbe. Einzig mir bekannter Song war "Krieg" vom 3., "Under the Sign of Hell ", Album. Ach so ja "Incipit Satan" und "Destroyer" von den Nuclear Blast Spamplern waren natürlich auch zu hören. So wie ich das mitbekommen habe, war nicht ein einziges Gründungmitglied mehr dabei. Des Weiteren gibt es auch noch Rechstreitigkeiten mit den alten Musikern, aber wen interessiert das schon.




Samstag:
Samstag, der Tag, der den schwedischen Bands gehörte, begann mit den Old School Death Metallern von EVOCATION. Das Zelt bis unters Dach gefüllt, kein Wunder, denn es war auch die erste brauchbare Band am Samstag, die man sich angucken konnte. Obwohl die WET STAGE jedes Jahr wächst, hätte sie noch um einiges größer sein können. Geboten wurde Old School Death Metal im Stile alter Dismember Scheiben. Leider hatten die Schweden nur eine halbe Stunde Zeit, sich dem Publikum zu beweisen, aber dennoch überzeugten sie mit der Vorstellung ihres neuen Albums. Die schwedischen Höhepunkte des diesjährigen Wacken Open Airs ließen aber bis abends auf sich warten.

Die Florida Death Metal Legende OBITUARY spielte ein gewohnt tightes Set, welches jedoch durch die parallel spielenden, alles übertönenden HATEBREED viel von seiner Qualität einbüßen musste. Doch die Obis ließen sich davon nicht abschrecken und schmetterten ihre Groove-Granaten, unter anderem ein geiles Celtic Frost Cover ("Dethroned Emperor"), in die Menge.

CARCASS, eine Reunion, die von vielen Metalheads sehnlichst erwartet wurde. Die Grindcore Urväter luden zum Sezieren ein. Die Band um Jeff Walker (Sänger/Bassist), der mit Michael Ammott (Gitarre), Bill Steer (Gitarre/Gesang) und Daniel Erlandsson (Drums) das aktuelle Line Up der Band bildete, spielte ein beeindruckendes Konzert mit einem Best Of Programm, das alle Perioden der Band berücksichtigte. Als besonderer Gast auf der Bühne fungierte Arch Enemy Vokalistin Angela Gossow, die sich bei "Incarnated Solvent Abuse" die Vocals mit dem Fronter teilte. Doch übertroffen wurde ihr Auftritt von dem des Original Drummers Ken Owen, der aufgrund einer Hirnblutung lange im Koma lag und mit einem kleinen Drum Solo und ein paar Worten viele Fans berührte, welche ihn dann mit einem riesigen Applaus abfeierten.

AT THE GATES, zwar um einige Jährchen älter, aber anscheinend nicht zu müde, um noch richtig Gas zu geben. Es war wie ein Traum. Die Vorstellung, AT THE GATES nach 1995 noch ein Mal live zu sehen, war eine Mischung zwischen Vorfreude und Skepsis. Letztere war spätestens nach dem dritten Song gänzlich verflogen. Ich musste erstmal realisieren, was ich da sah und hörte. Passend zu "Under The Serpent Sun" endlich bis zum Moshpit vorgedrängelt, und die Party war schon voll im Gange. Es gab doch noch coole Leute auf dem Festival, die Ahnung von gutem altem Metal haben. Überraschend viele Lieder von dem "Terminal Spirit Disease" Album. Neben dem Titeltrack waren "Sworn" und "Forever Blind" am Start (ich bin mir nicht sicher ob noch ein Song dabei war). Überraschend auch, zwei Songs vom "The Red In The Sky Is Ours" Album, "Windows" und "Kingdom Gone", und zwei vom zweitem Album "With Fear I Kiss The Burning Darkness" und "Raped By The Light Of Christ". Auch "All Live Ends" vom "Gardens of Grief Demo" war, wie von mir erwartet, mit auf der Setlist. Das waren wirklich sehr alte Erinnerung, die da aufkamen. Aber auch die Lieder von "Slaughter Of The Soul" waren richtig geil gespielt bei einer absoluten spitzenklasse Performance. "Need", "Cold", "Neausea", "Blinded By Fear"; ich habe mir nicht alle Tracks merken können, aber ein bis zwei Stücke waren auf jeden Fall noch mit dabei. Schade, dass Thomas "Tompa" Lindberg keine langen Haare mehr hat, aber trotzdem gaben alle an den Toren wirklich mehr als ihr bestes, Fans mit eingeschlossen. Und ich kann sagen, in 9 Jahren Wacken war das der geilste "Black Stage Gig", den ich gefühlt habe. Absoluter Oberhammer war das, könnte ich mir jedes Jahr wieder antun. Schade, dass es nur bei der handvoll Konzerten blieb, aber wer weiß, Swedish Death Metal Rules!!!

Der Samstags-Headliner, und gleichzeitig die letzte Band des Festivals, waren KREATOR. Diese bewiesen mal wieder, dass sie zu den stärksten Live-Bands im Thrash Bereich gehören. Mille und seine Mitstreiter knüppelten sich durch über 20 Jahre Bandgeschichte und entfachten vor der Bühne riesige Moshpits. Doch mit Songs wie "Violent Revolution" oder "Flag Of Hate" kann man eh nichts falsch machen.

Und nach so vielen Jahren, habe ich dann auch zum ersten Mal etwas von LORDI gehört. "Hard Rock Halleluja", oder wie war das? Ist doch gar nicht mal so schlecht, eigentlich gefielen mir LORDI sogar richtig gut. Dass ich auf einem Wacken-Samstag um 2 Uhr noch so fit war, war zwar eine Seltenheit, aber dafür ein umso schönerer Abschluss. "Would you love a monster man?" klang für mich voll wie ein Song von Alice Cooper, und genau wie bei AVANTASIA ist der Übergang zwischen Power/Heavy Metal und Pop fließend. Aber wenn das irgendwann mal als Pop durch gehen sollte, bin ich der Erste, der auf der Arbeit freiwillig Radio hört. www.wacken-open-air.de (holger & Co-Writer: daniel)



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