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HEXENTANZ FESTIVAL 2007 :: Tanzwut gegen die Strukturschwäche
Bostalsee in Bosen am 29.04.-01.05.2007
(Fotos by Stefan Thiel - www.stefan-thiel.info)

"Strukturschwach"; das ist das Zauberwort, wenn es um das kleinste der Bundesländer geht. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Saarland durch das Wegsterben der Kohlezechen durchaus ein Problem hat. Auf ganz anderer Ebene konnte das Saarland dafür am Wochenende um die Walpurgisnacht 2007 herum punkten. Der Bostalsee, das größte Binnengewässer des Saarlandes, war Austragungsgort des zweiten Hexentanz Festivals. Das ursprünglich in Ottweiler geplante Festival mit großem Mittelaltermarkt musste aus organisatorischen Gründen auf das Freizeit- und Naherholungsareal des Sees verlegt werden.


Den Auftakt am Sonntag machten Feuerschwanz, die sich, trotz der frühen Zeit, nicht wirklich über Zuschauermangel beklagen konnten. Die Mittelalterquatschköpfe hatten ihre neue CD "Met und Miezen" im Gepäck und angesichts dieses Titels kann man sich denken, dass Spaß die erste Devise auf und vor der Bühne war. So war es auch gar nicht verwunderlich, dass auf einmal viele Hochglanzheftchen mit spärlich bekleideten Mie..., äh, Damen kursierten.


Mit den Berlinern Cultus Ferox enterte danach ein weiteres Zugpferd der Mittelalterszene die Bühne, die durch die schiere Anzahl der Musiker und Tänzerinnen bedrohlich klein wurde. Davon ließen sich die Hauptstädter jedoch nicht stören und zogen einen furiosen Gig ab der mit zahlreichen Tanzeinlagen von Romanesca gewürzt war. Was allerdings die fast einstündige Verzögerung bereits so früh am Festivaltag verursachte, ließ sich nicht wirklich nachvollziehen. Im Endeffekt hatten aber alle nachfolgenden Bands darunter zu leiden, da der Endzeitpunkt des Festivals fix war.


Vor der finalen Belastungsprobe stand die Bühne bei Schelmish die sich mit einem Augenzwinkern als die fettesten Spielleute outeten - wer die Bonner Truppe kennt, weiß um deren humorige Ansagen. Leider hatten Schelmish fast den ganzen Auftritt über mit einem sehr bescheidenen Sound zu kämpfen. Schade eigentlich, da die seit der 2006er Veröffentlichung "Mente Capti" eingeschlagene Richtung hin zu einer Mittelalter Rock/Punk-Ausrichtung allenthalben gut angenommen wird. Traditionell gab es auch wieder den Strip von Luzie und das schon lieb gewonnene "Ring of fire"-Cover als krönenden Abschluss.


Nachdem den ganzen Tag über die Sonne unbarmherzig vom Himmel brannte, wurde es zu Co-Headliner Letzte Instanz wieder etwas kühler und deutlich voller vor der Bühne. Über die Livequalitäten der Letzten Instanz noch Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen, oder um es ganz verkürzt auszudrücken: Keiner leidet so schön wie Sänger Holly. Aufgrund der zwischenzeitlich eingeschliffenen Verzögerung im Zeitplan beschränkte sich die Playlist hautsächlich auf Nummern des letzten Albums "Wir sind Gold" . Überraschenderweise entwickelt sich "Das Stimmlein" zum absoluten Liveburner - wer hätte es gedacht, dass es diese Nummer (im Original mit Eric Fish / Subway To Sally und Sven Friedrich / Zeraphine) so weit bringt. Absolutes Hightlight - die Zugabe in Form des Kiss Covers "I was made for loving you" inklusive einer Low-tech Karaokevariante (Text auf großen Pappschildern) - göttlich!


Mit der Veröffentlichung ihrer letzten Doppel-CD "Schattenreiter" musste sich Tanzwut öfters mal den Vorwurf der Verzettelung gefallen lassen. Von Breakbeats über J.S. Bach bis Surfpunk reichte die Palette auf den Silberlingen, was einigen ein bisschen zu viel war. Live, da sich aber Alle einig, sind Tanzwut ein echtes Erlebnis. So auch auf dem Hexentanz Festival als nach stilvoller Eröffnung durch die "Tocata" Fronter Teufel innerhalb kürzester Zeit zur Höchstform auflief. Großes Kino für die verbliebenen Fans.




Der Folgetag wurde zwar von vielen als Brückentag genutzt, dennoch war bei der ersten Band, Scream Silence, wesentlich weniger los als am Vortage. Vielleicht hing es aber auch damit zusammen, dass die Gothicrocker nicht so ganz in das Schellen und Sackpfeifen-Aufgebot passten. Zudem waren auch die Festivalgremlins wieder am Werk und sorgten für einen etwas eigenwilligen Sound.


Die nachfolgenden Lokalmatadoren von Spielbann brachten naturgemäß auch gleich ein paar Fans mehr mit, von denen Zwei sogar, um den Preis einer CD, in den Bostalsee sprangen und danach tropfnass auf die Bühne kletterten. Dass es die Band in dieser Besetzung erst seit zwei Jahren und Ihr Debütalbum "Seelenfänger" erst seit einem kappen halben Jahr gibt, war ihnen nicht anzumerken. Ein sehr furioser und überzeugender Auftritt - einziges Manko: Sängerin Danny deren Sangesleistung nicht wirklich punkten konnte.


Mit einer Mittelalter/Metal-Mischung ging es bei Cumolo Nimbus weiter. So böse wie der Bandname (Cumulonimbus ist die Bezeichnung für eine Gewitterwolke in Ambossform) glauben machen wollte, waren die Landsberger gar nicht. Ein durchaus gelungener Gig des Sextetts, der allerdings keine Höhepunkte vorzuweisen hatte; dafür aber auch keine Tiefpunkte. Wenn noch ein bisschen mehr Eigenständigkeit dazu kommt, bzw. etwas das Cumolo Nimbus aus der Masse hervor hebt, könnte das Ganze durchaus mal was werden. Sängerin und Flötistin Carolynn kann zumindestens, wie Birgit von Schandmaul, zwei Flöten auf einmal blasen (Anmerkung der Redaktion: Der Lektor tupft sich den Schweiß von der Stirn...), vielleicht gibt das ja die zukünftige Marschrichtung vor.


Mit Coppelius stand nun eine echte Überraschung und das Highlight des Festivaltages auf der Bühne. Man stelle sich eine beliebige Heavy Metal Combo vor. Der Unterschied zu Coppelius ist allerdings, das die letztgenannten aus dem 19. Jahrhundert kommen, dementsprechend gekleidet und geschminkt sind und E-Gitarre und Bass durch Cello, Contrabass und Klarinette ersetzt haben. Also fast wie die Finnen Apocalyptica, nur eben aus Berlin und wesentlich cooler... Kammer-Core heisst die Musikrichtung und wurde stilecht mit Diener angesagt und vorgebracht. Neben der optischen Note ein absolut mitreißender Auftritt der frenetisch von den zahlreichen Fans abgefeiert wurde.


Die nachfolgenden Umbra Et Imago polarisieren seit jeher den schwarzen Kosmos. Von einigen verehrt und angehimmelt als Szeneurgestein, von anderen zutiefst verachtet für die billigen und massenkompatiblen S/M-Elemente bei den Shows, zogen die Karlsruher doch einiges an Publikum vor die Bühne. Mit viel Feuer, einigen reichlich dummen Sprüchen zog die Band um Mastermind Mozart ihren einzigen Festivalauftritt 2007 routiniert durch.


Genauso routiniert und professionell, aber ohne Mozarts große Diskrepanz zwischen CD und Live-Stimme, spielten als Headliner Oomph! auf. Wer Oomph! in den vergangenen Zeit schon einmal gesehen hat, konnte sich den Auftritt getrost sparen. Gleiches Bühnenoutfit, gleiches Stageacting... Oomph! waren auch schon mal innovativer und vor allem interessanter.

Fazit: Es bleibt zu hoffen, das es eine Neuauflage in 2008 geben wird - das Konzept und der Lineup-Korridor stimmen zumindestens. (stefan)


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