M'ERA LUNA 2004 - Hildesheim 07.08.-08.08.


Wie bereits im letzten Jahr hat sich dieses Festival das heißeste Wochenende für die Veranstaltung ausgesucht. Neben der gnadenlosen Bestrahlung unseres Fixsterns gab es auch einen neuen Zuschauerrekord zu vermelden. Über 25000 bevölkerten den Flugplatz samt angeschlossenem Zeltplatz. Ein Erfolg für die Veranstalter, allerdings sollte man schleunigst darum bemüht sein, eine Begrenzung der Karten anzuvisieren, damit man nicht zu einer Massenveranstaltung verkommt, bei dem ein Teil des Publikums seine Lieblingsband allenfalls als kleinen Punkt erkennen kann. Die Hauptbühne war in diesem Jahr etwas anders ins Gelände trapiert, so dass man sowohl im Hangar, wie im Feld nicht von den gegensätzlichen musikalischen Ergüssen gestört wurde. Der Zeitplan wurde erneut penibel eingehalten. Einem Fauxpas gleich kam die Aufstellung der beiden sogenannten Top Acts. Während WOLFSHEIM ihr Langeweile Programm über neunzig Minuten über das Publikum ergiessen konnte, musste sich LACRIMOSA einen Tag später mit 70 Minuten begnügen. Ein weiterer Fehler war, dass man Schandmaul im Hangar unterbrachte. Insgesamt wohl eine Reminiszens an die Elektro Fans, welche sich in den vergangenen Jahren reichlich beschwerten. Aber dass Bands wie Funker Vogt, Suicide Commando oder De/Vision im Hangar besser aufgehoben wären, bewiesen diese Bands mit belanglosen, musikalisch und gesanglich eher mittelmäßigen Auftritten auf der Hauptbühne. Bis auf eine Ausnahme waren die Herren an den Reglern immer Herr der Lage. Dass der einzige Ausrutscher gerade bei Lacrimosa passieren musste, passte irgendwie ins Programm der Band um Tilo Wolff. Erst wurde der Auftritt um 20 Minuten gekürzt, dann musste man (vor allem bei den ersten Songs) mit einem saumäßigen Sound leben.



Die Enttäuschungen des Wochenendes lass ich mal weg (größtenteils könnt ihr sie euch denken, oder merkt es spätestens, wenn ich zu den einzelnen Bands komme.

Kommen wir zu den Höhepunkten:

WITHIN TEMPTATION: Für mich qualitativ (Gesang/Instrumente/Zusammenspiel) die Band mit dem höchsten Niveau.

SAMSAS TRAUM: Für mich die Überraschung des Festivals, obwohl ich hier doch mit etwas mehr Show gerechnet hatte. Die Show bot Sänger Alexander mit einer Energie, die bereits nach kurzer Zeit auf's Publikum übersprang.

PÍNK TURNS BLUE: Die einzig wahre noch existierende Dark Wave Band der Welt.

CHAMBER: Ein orchestraler Hörgenuss erster Güte mit einer Wahnsinns-Version von Rammstein's "Engel".

SCHANDMAUL: Brachten den Hangar zum Kochen




WARREN SUICIDE
Die neue Band des Ex-Linientreu Masterminds Lucian hat sich einer alptraumhaften Version der technoiden Elektronik verschrieben. So wurden am frühen Sonntagmorgen die Regler zum bestimmenden Element, unterstützt von verzerrten Brachial Bässen und verspielten Synths. Dass mit Papp Gimmicks und verwirrenden Samples aufgeführte 20 minütige Programm hat etwas von der Verspieltheit später Alien Werke. Manchmal wirkte das ganze auch ein bisschen naiv, z.B. als man mit "HALLO-Schildern" zum passenden zweiten Track herumlief. "Twelve" ist ein abgedrehtes Fragment voller wirrer Töne, welche sich im Refrain gar einer Melodie unterwerfen. Bester Song des Sets war zweifelsohne der Opener, der genau so heißt wie die Band, ihre erste Single und ihr erstes Album. Ein mutiger Auftritt, der gleich zu Beginn jede Kateratmosphäre im Kopf wegblies.


THE COLD
Anfang des Jahres hatte die Band die Idee, einen Artikel vor ihrem Namen zu platzieren, nun darf jeder raten, was der Name übersetzt heißt (Der, die, das Kalt; der,die,das Kalte; wieso weshalb, warum, wer nicht fragt bleibt dumm). Der Sonntagmorgen und der schwere Kopf erfreuten sich an dieser melancholischen Musik. Der Band ist es mittlerweile gelungen, ihren Cure Trend zu einem eigenständigen Sound zu formen. Allerdings bleiben die Fragen, warum es der Band gelingt, überall Vorband zu sein und andauernd einen Platz auf Festivals zu finden. Der Hanger war leicht gefüllt und man konnte zum Entsetzen der Band im ungemütlichen Schneidersitz ihrer Performance frönen.


WOLFSHEIM
Ein explosiver und martialischer Sturm brach am Samstagabend über das Publikum herein. Heppner höchst selbst ließ es sich nicht nehmen, das exstatische Publikum mit Stage Diving und sonstigen extrovertierten Bühnenauftritten zu befriedigen. Höhepunkt war sicherlich, als er sich bis auf die Unterhose entkleidete und seine gesamte Kleidung nach und nach ins Publikum feuerte. Die Fans tanzten im kühlenden Regen und wälzten sich im Matsch, von hinten sah ihre Pogo-Aufführung gar extrem aus.
Nun gut, ihr merkt meine Ironie. Es war ein Auftritt, der keines Top Acts würdig war. Gelangweilt stand er da, der Heppner, verkrampfte seine Finger ins Pult und las seine Texte. Das elektronische musikalische Rauschen formte dezente Melodien. Wenn es einer Band gelingt, selbst bei Hits wie "Kein zurück" oder der ersten Single "The Sparrows..." das Publikum in eine Lethargie zu versetzen... Naja, wollen wir mal nicht so negativ reden, in Puncto Hypnose hat die Band den ersten Preis gewonnen. Glückwunsch an dieser Seite.


PINK TURNS BLUE
Hallo Peter, so erzeugt man musikalische Melancholie. Es ist immer wieder ergreifend, diese Band zu sehen. Zwar gab es heute das identische Programm wie beim WGT, aber wie es der Band gelingt, Gefühle zu transportieren, ist wahrscheinlich einzigartig. Es gibt für mich keine andere existierende Band, der es gelingt, allein mit Sound und Gesang, mich voller Gänsehaut zittern zu lassen. Hinzu kommt, dass Mic im Gegensatz zu früher sich auch mal sehr extrovertiert gibt. Da wandert er beim Schlusssong "Michelle" durchs Publikum und schreit den Namen mahnmalisierend ins Mikro. "If two worlds kiss", für mich eine Hymne, eines der schönsten Lieder, die jemals geschrieben wurden. Der Tränen, die hier voller Glückseligkeit aus meinen Augen rannen, werde ich mich nie schämen. Es folgte das etwas bedrückende "Catholic Sunday", perfekt von Saiten getragen und mit einer elegischen Darbietung am Keyboard vollendet. "The First" mit dem monotonen Rhythmus erklingt als düsterer Trauermarsch. Ergibt sich fortan einer düsteren Melodie hin, die Erklärungsformel des Dark Waves liegt in der Musik von PTB. Die wortlosen Zwischenspiele im durchdringenden Gesang erzeugen den Traum, welches jedes schwarze Herz auf einen dunklen Tuch bettet. Grandios und niemals in Worte zu fassen.
Tracklist:
Your master is calling
I coldly stare out
The First
Walking on both sides
If two Worlds kiss
Catholic Sunday
7 Years
Michelle


SAMSAS TRAUM

Photos by Harry Fayt / www.Datapix-Agency.com

So martialisch durchdringend seine Ansprache ("Wer nicht für mich ist, ist gegen mich und verlässt auf der Stelle die Halle") so melancholisch durchdringend war der Verlauf des Konzertes. Nach einem verspielt dramatisches Intro röffnete man das Konzert mit "Endstation Eden". Alexander mimte immer wieder kurzzeitig den braven Jungen in Schuluniform, dessen psychotische Ader aber immer schlummernd zum Ausbruch kommen konnte. Er inszenierte einen brachialen "Stromausfall im Herzspital". Er widmete, ganz untypisch, einen Song seiner Freundin und begeisterte zum Schluß mit einer genialen Version von "Hier kommt Alex". Er kündigte bereits zuvor an, dass es schwer wäre, den gesanglichen Einsatz perfekt zu platzieren. Dies gelang ihm, trotzdem kam er aus dem Rhythmus als ihm ein großes, bemaltes Betttuch zwischen Mund und Mikro flog. Unterstützt von vertrakter Elektronik, donnernden Saiten, wandelte Alexander auf stimmlich sehr melancholischen Pfaden. Jede Brachialität umgarnt mit fast einheimelnder Stimmakrobatik, überließ aber des öfteren dem Teufel in seinem Gehirn die Oberhand. Zudem tobte er sich körperlich aus und genoss sichtlich die Begeisterung im Publikum. Höhepunkt war das perfekt inszenierte "Für Immer" vom Album "Oh Luna mein". Wild rotierend lies Alexander die Welt zu einer Scheibe werden. Ein Auftritt wie ein Taifun, vernichtend aber auch zu schnell vorbei.

Intro
Endstation Eden
Die Zärtlichkeit der Verdammten
Für Immer
Girl
Stromausfall im Herzspital
Tinoidea
Vergiß mich nicht
Ein Fötus wie du
Kugel im Gesicht
Ein Herz und eine Handvoll Asche
Hier kommt Alex


FUNKER VOGT + SUICIDE COMMANDO + COVENANT + ROTERSAND
Tja, mir (bastian) bleibt in diesem Fall die Ehre, über die Bands zu sprechen, von denen Andreas eh keine gute Meinung hat; und über die, zu denen ich meinen Senf unbedingt noch dazu geben muß.

Und damit will ich auch beginnen:
'Within Temptation' kommen meiner Meinung nach viel zu gut weg. Viel zu schlecht ist diese Band live sowie auf CD, als dass sie als 'gut' bezeichnet werden könnte. Gut, der Sound stimmt, aber die Sängerin trifft wie immer keinen einzigen Ton so richtig und bei "Running up that Hill" stellen sich meine Nackenhaare noch steiler als beim zufälligen Gucken des Videos.



Aber nun zu den anderen:
Funker Vogt machen hier einen guten Job und beginnen ihren Set mit den absoluten Hits: Gun Man, Date of Expiration, Maschine Zeit und bilden hier den Anfang und machen klar, was in den nächsten 45 Minuten abgehen sollte. EBM der Extraklasse, und diesen beherrschen Funker Vogt wie kaum eine andere Band. Die Zeit verging wie im Flug und die Menge vor der Bühne tanzte sich in einen Rausch, der so schnell nicht enden sollte.



Denn als nächste waren Suicide Commando an der Reihe. Ich kann persönlich mit den Live Shows Johan van Roys nichts, aber auch gar nichts anfangen. Viel zu affektiert wirkt die Aufführung, die da geboten wird. Viel zu dick trägt der Mastermind der Band auf, wenn er mit Zwangsjacke bekleidet über die Bühne stolpert, und viel zu lächerlich wirken die Songs, wenn der Mann das Publikum auffordert, zu Selbstmord im Takt zu klatschen.Doch auf 'nem Festival ist alles anders. Hier darf zu jedem Thema gefeiert werden und hier bleibt auch die Zwangsjacke im belgischen Schrank hängen. Klar, die Hits der Band werden ausnahmslos gespielt und abgefeiert und auch sonst ist alles in Butter. Den Höhepunkt erreicht der Auftritt jedoch, als Erc von Hocico die Bühne betritt und mit Johan zusammen "Forgotten Tears" performt. Sehr geil.



Den elektronischen Höhepunkt des gesamten Festivals bilden dann aber Covenant. Diese, wie gewohnt in schicke weiße Anzüge gekleidet, bieten das, was man von einer Band, welche an der Spitze der Electroszene steht, erwartet. Hit auf Hit heißt es nun und tanzen bis der Arzt kommt. Und der mußte bestimmt wirklich kommen, wenn die Crowd bei unmenschlichen Temperaturen zu Klassikern wie "Dead stars" abfeiert. Alles in allem, wieder mal ein super Auftritt Covenants. Ich kann die nächste Tour kaum erwarten.



Im Hangar machten dagegen die "kleineren" Bands dem Publikum Feuer unter'm Arsch...
Rotersand wurden hier abgefeiert, wie ich es seit VNV Nation an gleicher Stelle nicht erleben durfte. Aber es war auch ein großartiger Auftritt. Alle Songs des Debüts fanden Platz in der Setlist und Rasc sprang trotz Ledermantel wie ein Duracell Hase auf der Bühne herum. Mehr kann ich über Hangarbands nicht sagen, da die Hitze mich nie lange vor dieser Bühne ausharren ließ...

So möchte ich noch ein paar Worte über Lacrimosa sagen, deren Auftritt mir jetzt beim Schreiben noch Gänsehaut verpasst. Muß ich noch mehr sagen? Es war atemberaubend, was Thilo Wolff hier bot. Eigentlich nicht in Worte zu fassen. Daher laß ich nun auch den Rest wieder für Andreas über, der mit seinem journalistischen Gespür wahrscheinlich diese besser findet. (bastian)