BOCHUM TOTAL - 01.08.03 in Bochum, Innenstadt
Das diesjährige Bochum Total wird wohl als erfolgreichstes der Geschichte in selbige eingehen. Bereits am Donnerstag, der Tag an dem grundsätzlich der Zustrom etwas schleppend beginnt, konnten bereits über 100.000 Besucher zählen. Die Kapazität war beim Auftritt von "Wir sind Helden" mehr als ausgeschöpft. Der Grund, dass ich mir dieses Festival nur am Freitag zu Gemüte führte, hat mit der Pappnase zu tun, welche seinen Koffer im Bochumer Bahnhof vergaß und einer angeblichen Bombendrohung.
Dass der Streß zu Beginn nur ein kleiner Teil dessen war, was später noch folgen sollte, war mir und meiner Begleiterin noch nicht bewusst. Direkt nach einem stressigen Arbeitstag ging es in den Zug und ausgestattet mit genug Flüssigkeit ging es gen Bochum. Nachdem wir mit Fast Food unsere Magensäure zur Höchstleistung aufforderten und einen wirren Umweg durch die von einer unerträglich hellen und heißen Sonne überfluteten Bochumer Innenstadt gingen, erreichten wir die Sonic Seducer Bühne. Das Bier nahm leider mittlerweile die Temperatur der Umgebung an und floß nur langsam.

Medusa betrat dann die Bühne und übte fürs M'era Luna ihre Ankündigungen der Band. Der Titel des aktuellen Albums des Openers XANDRIA war natürlich auch wie geschaffen für diesen Nachmittag. "Kill the Sun". Bis auf "calyx Virago" spielte die Band das komplette Album, ließ für kurze Zeit Gerrit hinterm Schlagzeug bei einem Solo Einsatz in den Mittelpunkt rücken und brachte zum Schluß mit "Black Flame" auch noch einen Ausblick auf die Zukunft. Angesichts des Stückes dürfte diese rosarot sein - keine Angst die Musik bleibt natürlich dunkel und rosarot bezieht sich nur auf die erfolgreiche Schiene, welche die Band befährt und der Zug scheint kaum entgleisbar. Bewundernswert zu sehen, wie es der Band gelang, in kürzester Zeit die ersten Reihen zu animieren. Kristallklarer Sound, verwegene Gitarren, welche im richtigen Moment die weiche Stimme von Lisa doomig unterstützten. Neben druckvollem Goth Metal, lässt sich die Band immer wieder zu balladesken, tiefmelancholischen Stücken hinreißen. Im getragenen "Ginger" ließ man sogar progressives Gitarrenspiel einfließen. Erstaunlich die gesangliche Wandlung vom dunklen Timbre hin zu Heavenly Voices in "she's nirwana". Ein gelungener Auftritt und das für lau.

Danach dachte ich zuerst, die Umbaupausen seien im Zeitplan ein wenig eng bemessen. Dass es vor ZERAPHINE etwas länger dauerte, lag an einem wirklich technischen Problem, welches nicht behoben werden konnte und die Berliner dazu veranlasste ohne Keyboard auszukommen. Medusa übte hernach weiter und erneut lieferte ein Titel der Band ("Kalte Sonne") den Hintergrund für die Ansage. Dieses Stück wählte die Band um Sven Friedrich dann auch als Opener. Nach dem zweiten Song entschuldigte sich Sven dann für die etwas seltsam wirkenden Versionen der Stücke und erklärte dem Publikum die Misere. Im Endeffekt war es jedoch kein Makel, denn sowohl die neuen Stücke als auch die Alten leben vom druckvollen Saitenspiel sowie Sven's Gesang und der war wie immer gut. Für mich gab es erstmals einen Einblick in die neuen Songs, wovon besonders, das druckvolle "be my rain" begeistern konnte. Teilweise hatte man das Gefühl, dass die Musiker, gleich einer durch rote Karte dezimierten Fußballmannschaft, die Unterzahl an Instrumenten mit vermehrtem Einsatz ausgleichen wollten. Das elegische "Sterne sehen" habe ich selten in einer derartigen Intensivität erlebt. Gleiches gilt für "die Wirklichkeit" und erstmals hatte ich das Gefühl, dass man dem Depeche Mode Cover "in your room" den eigenen Stempel aufdrückte.

Danach war es Zeit für den Teufel und TANZWUT, bereits beim Opener "Ihr wolltet Spaß" vergingen sich die vordersten Reihen tief in den Bandnamen. Wilde Sackpfeifen Orgien paarten sich mit straighten Gitarren und einem angerauhten Gesang. Hier wurde trotz Hitze abgefeiert bis zum Schluß. Angesichts des sehr geteilten Publikums war es vor allem das Ärzte Cover "Bitte, Bitte", welches vor der Bühne die Leute zu wilden Pogo Einlagen hinreißen ließ. Ansonsten gab es Stücke der letzten beiden Alben und ein kleiner Ausritt in die Vergangenheit.

Hiernach hieß es schon fast die Heimreise anzutreten und aufgrund der Verzögerung wegen technischer Probleme blieben mir knapp 20 Minuten von OOMPH!. Der im gewohnten Rot mit schwarzem Slips bekleidete Sänger hat sich mittlerweile damit abgefunden, als Kind einen Flummi verschluckt zu haben und lebt dieses auf der Bühne aus. Mehr noch, ihm gelingt es, dieses Erlebnis der Kindheit ins Publikum zu transferieren, welches sich fortan kindgleich in einer imaginären Hüpfburg wiederfand. Alternativ Rock, Electro Wave, straighte Gitarren vermischen die Jungs zu einem wahren Hitcocktail und glänzen mit einer betörenden Melodie.

Tja, die erhoffte Heimreise im ICE fiel dann ins Wasser, bzw. in die Koffer. Aufgrund eines Gepäckstückes sperrte man den gesamten Bahnhof. 3 Stunden verbrachten wir mit Kriseninterventionen auf dem Vorplatz des Bochumer Hauptbahnhofs. 30 BGS Beamte bevölkerten zudem gegen etwa 23.00 Uhr den Bahnhofsvorplatz. Grund waren 7 Fans vom FC St. Pauli (hatten an diesem Freitag ein Spiel in Wattenscheid), davon (kein Scherz) drei Blinde. Angesichts der grünen Übermacht verzichteten diese 7 Fans auf jegliche Randale und ich musste kurzzeitig meinen Unmut an derartigen Steuerverschwendungen einem grünen Männchen deutlich machen. Der verstand natürlich passend zur Umgebung nur Bahnhof. Welch Wunder um 00.05 war der Spuk vorbei und man durfte wieder die Innereien des Bochumer Aushängeschildes für moderne Bahnkunst betreten. Natürlich hatte man keine Ersatzzüge organisiert, wie auch, wenn man drei Stunden Zeit hat. Und natürlich kamen wir nicht nach Hause. Es blieb uns ein Hotel für 49 Euro. Naja, die gutriechende frische Bettdecke, eine saubere Dusche entschädigten kurzzeitig. Und jetzt kommt es, das erste Mal gibt es von mir etwas positives über die Deutsche Bahn. Wir haben doch tatsächlich einen Gutschein über 50 Euro bekommen. Also Leute hier noch ein kleiner Tipp, solltet ihr irgendwo mit der Bahn anreisen und ihr kommt nach einem Konzert nicht mehr zurück, kauft euch einfach ein Ticket für einen ICE (das muß schon sein) und deponiert einen alten Koffer auf dem Bahnsteig. Garantiert sind eine kostenlose Übernachtung, kein Streß und eine angenehme Heimreise am Folgetag. Hier bitte nichts reininterpretieren, die Idee kam mir erst nachher. Die Dinge haben sich also zum Guten gewendet, da dieses am ersten August Wochenende noch nicht absehbar war, verzichtete ich auf den Sonntag mit Bands wie Secret Discovery oder Escape with Romeo.